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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron
Autoren: Katia Fox
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Caversham Manor am 13. Mai 1219
    G uillaume fror erbärmlich. Das Hemd aus feinstem Leinen scheuerte auf seiner Haut, die sich dünn wie zu häufig geschabtes Pergament über seine Knochen spannte. Das Gewand der Templer hatte er angelegt, seit er Gewissheit hatte, dass es mit ihm zu Ende ging. Es spendete Trost, doch es wärmte nicht, denn die Kälte, die ihn schaudern ließ, kam von innen. Ein heftiges Gefühl von Wundheit überkam ihn, zog und zerrte an seinen Eingeweiden und zerschnitt seinen Atem in kurze, mühsame Stöße. Seit Monaten schon plagten ihn diese grauenhaften Schmerzen und ließen das Leben, das er stets so geliebt hatte, beschwerlich und düster erscheinen. Ein dumpfes Stöhnen entwich ihm. Ausgerechnet ihm, dem jegliches Klagen fremd war!
    Guillaumes Hand fuhr zu seiner Schulter, wo er eine der vielen Narben befühlte, die seinen Körper im Laufe der Jahre gezeichnet hatten. Ein schmerzverzerrtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Ganz gleich, wie schwer er verletzt worden war, er hatte stets Haltung bewahrt. Diese dunkle Stunde würde daran nichts ändern.
    »Soll ich dir ein Kissen in den Rücken legen, damit du dich ein wenig aufrichten kannst?« Wie ein Sonnenstrahl erwärmte ihn die sanfte Stimme seines Weibes, und für einen winzigen Augenblick fühlte er sich leicht und von allen Schmerzen befreit. Bald dreißig Jahre waren sie verheiratet, und sie war noch immer so schön wie als junges Mädchen, auch wenn ihr Haar seit einiger Zeit mit silbrig schimmernden Fäden durchzogen war und sich die helle, weiche Haut um ihre Augen, auf der Stirn und um ihre zarte Nase in feinste Fältchen legte.
    Guillaume schüttelte nur müde den Kopf.
    Liebevoll strich sie ihm mit ihrer warmen Hand über die Wange.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er erst, als sie die Kammer verlassen hatte, denn sie wusste es. Dann murmelte er ein kurzes Gebet. Solange er denken konnte, hatte er ein großartiges Gedächtnis für Namen und Zusammenhänge gehabt, nur Gebete hatte er sich nicht gut merken können. Wer jedoch ein so bewegtes Leben geführt hatte wie er, musste Läuterung erfahren, bevor er es wagen konnte, vor seinen Schöpfer zu treten.
    »Ich bereue«, begann er. In den vergangenen Tagen hatte er seinem Beichtvater schon viele Sünden bekannt, nun forschte er in seinem Herzen, was er sich noch hatte zuschulden kommen lassen. Trotz aller Reue aber, die er empfand, fiel es ihm schwer, Buße für das zu tun, was er zeit seines Lebens als seine Aufgabe angesehen hatte. Seinem König treu zu dienen hatte bedeutet, das Schwert zu erheben, zu kämpfen, zu siegen und auch zu töten. Guillaume entwich ein lang gezogenes Stöhnen. Es war seine heilige Pflicht gewesen, seinen Herrn vor allem Unbill zu schützen und seine Interessen zu vertreten! Ob der Allmächtige ihm verzeihen und ihn mit offenen Armen und in Liebe in sein Himmelreich aufnehmen würde?
    Guillaume drehte das schwere Haupt und blickte zur Seite. Er hatte sich auf den kalten, harten Boden betten lassen wollen, doch sein Weib hatte darauf bestanden, dass man ihn in seine Bettstatt legte. Es war ein großes, ehrwürdiges letztes Lager mit einer guten Strohmatratze, sauberen Leinentüchern und einer weichen Felldecke. Das Bett war aus dunklem Holz und hatte vier massive Pfosten, die bis fast unter die Decke der großen Kammer reichten und einen Baldachin sowie Vorhänge aus reich besticktem, nachtblauem Stoff trugen. Guillaume war kein Tuchhändler, darum hätte er nicht sagen können, wie man das Gewebe nannte. Ein flüchtiges Lächeln zuckte um seinen Mund. Es war wertvolles, teures Tuch, und er konnte es sich leisten.
    Sein Blick wanderte zum geöffneten Fenster, durch das derDuft des Frühlings hereindrang. Ein Sonnenstrahl zwängte sich zwischen den regenschweren Wolken hindurch in sein Schlafgemach, vorbei an dem Eichentisch und dem Lehnsessel, an dem für gewöhnlich sein Schreiber saß. Der Lichtstrahl, auf dem goldglänzende Punkte wie winzige Elfen tanzten, berührte das Fußende seiner Schlafstatt. Wie aus weiter Ferne nahm Guillaume die Geräusche des Alltags wahr: Rufen und Hufschlag aus dem Hof, Türen, die geöffnet und geschlossen wurden, Sporen, die über den Boden klirrten. Das Licht am Ende seines Bettes schien immer heller zu werden. Guillaume kniff die Augen zusammen. Es sah aus, als stünde ganz dicht bei seinen Füßen ein Mann in einem weißen Gewand, leuchtend, ein wenig durchscheinend und schön wie ein Engel. Er lächelte und
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