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Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Titel: Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte
Autoren: Jasper Fforde
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1. Die Abwesenheit des Frühstücks
    Um den Brunnen der Manuskripte richtig einschätzen zu können, muss man eine gewisse Vorstellung von der Großen Bibliothek haben. Die Bibliothek ist der Ort, wo alle literarischen Werke aufbewahrt werden, die je veröffentlicht worden sind. Sie hat 26 Stockwerke, eins für jeden Buchstaben des Alphabets. Der Grundriss ist kreuzförmig, so dass von der zentralen Halle jeweils vier Korridore abgehen. An den Wänden stehen endlose, hohe Bücherregale. Hunderte, Tausende, Millionen von Büchern. Hardcover, Taschenbücher, in Leder gebundene Bücher und Paperbacks, alles. Aber unter der Großen Bibliothek sind noch einmal sechsundzwanzig Stockwerke, eine Unterwelt von chaotischen, nicht immer ganz sauberen Gängen, Lagerhallen und Arbeitsräumen, die als
Brunnen der Manuskripte
bekannt ist.
Hier werden die Texte geschmiedet, zusammengebaut, geputzt und poliert, die später als Bücher einen Platz in der Bibliothek einnehmen sollen. Die Bücher in der Bibliothek sind allerdings etwas anders als die Nachdrucke, die wir zu Hause in unseren Wohnzimmern haben. Sie sind nämlich
lebendig
.
    Thursday Next Die Jurisfiktion-Aufzeichnungen
    In einem unveröffentlichten Roman zu wohnen hatte durchaus seine Vorteile. Die ganzen Alltagsgeschäfte, die uns im sogenannten wirklichen Leben auf Trab halten, wären für eine Erzählung in der Regel zu langweilig und werden deshalb meist ausgeblendet. Der Wagen brauchte nie aufgetankt zu werden, ich wählte nie die falsche Nummer, es gab immer ausreichend heißes Wasser, und die Beutel für den Staubsauger passten auch immer. Das Beste war, dass man die Bösewichter immer schon kannte und dass es - wenn man Chaucer mal außer Acht ließ - kaum Furzerei gab. Ein paar Nachteile gab es allerdings auch. Die relativ häufige Abwesenheit eines Frühstücks war eine ziemlich störende Änderung meines Tageslaufs. Mittag- und Abendessen gab es viel häufiger, vermutlich, weil sich dabei die Handlung besser vorantreiben lässt. Es gab auch einen auffälligen Mangel an Kinobesuchen, Tapeten, Toiletten, Farben, Büchern, Tieren, Unterwäsche, Gerüchen, Friseurbesuchen und kleineren Krankheiten. Wenn jemand in einem Buch krank wurde, dann war es immer gleich tödlich oder zumindest lebensbedrohlich.
    Dass ich überhaupt in einem Buch wohnen konnte, verdankte ich dem Figuren-Austausch-Programm. Um zu verhindern, dass immer mehr gelangweilte Romanfiguren aus ihren Büchern ausbrachen und zu sogenannten Seitenläufern wurden, hatten die zuständigen Stellen ein Programm eingerichtet, das Buchmenschen einen gelegentlichen Tapetenwechsel erlaubte. Jedes Jahr gibt es etwa zehntausend Figuren, die nicht in ihrem ursprünglichen Werk wohnen - was die Handlung und die Dialoge meist gar nicht beeinträchtigt - die Leser merken in der Regel nicht das Geringste. Obwohl ich aus der wirklichen Welt stammte und eigentlich gar keine Romanfigur war, hatten der Protokollführer und Miss Havisham mir aufgrund meiner Tätigkeit bei Jurisfiktion gestattet, für die Dauer meiner Schwangerschaft in der Buch-Welt zu leben, wo ich vor meinen Widersachern geschützt war.
    Das Buch für mein selbstgewähltes Exil hatte ich mit Bedacht ausgesucht. Als mich Miss Havisham fragte, in welchem Roman ich mich aufhalten wolle, hatte ich lange nachgedacht.
Robinson Crusoe
wäre rein klimatisch ideal gewesen, aber dort gab es kein weibliches Wesen, mit dem ich mich hätte austauschen können. Ich hätte auch in
Stolz und Vorurteil
wohnen können, aber ich war nicht gerade scharf auf bebänderte Hauben, geschnürte Korsetts und delikate Manieren. Nein, um die Wahrscheinlichkeit zu vermindern, dass ich womöglich umziehen musste, schien es mir unumgänglich, ein Werk von so zweifelhafter Qualität zu finden, dass eine Veröffentlichung höchst unwahrscheinlich erschien. Ich fand dieses Werk tief unten im Brunnen der Manuskripte unter anderen gescheiterten Projekten und halbfertigen Texten von so erschütternder Unbeholfenheit, dass sie gewiss nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen würden. Es handelte sich um einen drögen, in Reading angesiedelten Krimi mit dem Titel
Caversham Heights
. Eigentlich wollte ich dort nur ein Jahr bleiben, aber es kam alles ganz anders. Meine Pläne sind immer ein bisschen wie die Romane von Millon de Floss - man weiß nie
genau
, wie sie ausgehen.
     
    Ich las mich in aller Ruhe in
Caversham Heights
ein. Ich befand mich am Ufer eines kleinen Sees in der Nähe von
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