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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
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Feuer in einem von Dürre heimgesuchten Wald. Am Ende waren alle einigermaßen tauglichen Männer – und viele Frauen – des Schwarzen Pfads auf das Schlachtfeld von Kan Avor geströmt, rekrutiert nicht nur aus dem Haus Gyre, sondern aus allen Stämmen des neuen Glaubens; dennoch war ihnen der Feind zahlenmäßig um das Dreifache überlegen. Nun bildeten höchstens fünfzehnhundert Mann die stark beeinträchtigte Nachhut für die Flucht des Schwarzen Pfads nach Norden.
    Der Mann, der zu Avann aufschloss, war ebenso zerschlagen und müde wie alle anderen. Er trug einen verbeulten Helm, ein Kettenhemd mit Blutflecken an der Brust und einen Rundschild, den eine feindliche Axt zur Hälfte gespalten hatte. Dennoch hielt er sich aufrecht, und in seinem Blick glomm immer noch eine Spur von Feuer. Er schob sein Pferd durch das Gedränge dicht an den Than heran.
    »Herr«, sagte er leise, »ich bin es – Tegric.«
    Avann nickte, ohne den Kopf zu heben oder die Augen zu öffnen.
    »Meine Späher sind zurückgekehrt, Herr«, fuhr der Krieger fort. »Der Feind rückt näher. Die Reitertruppen von Kilkry sind höchstens eine bis zwei Stunden von hier entfernt. Weiter hinten kommen Speerkämpfer von Haig-Kilkry. Sie werden uns in die Enge treiben, noch ehe wir das Tal verlassen haben.«
    Der Than von Gyre spuckte Blut.
    »Was immer uns erwartet, ist seit Langem vorbestimmt«, murmelte er. Seine Stimme klang dünn und schwach. »Wir sollten uns nicht vor den Dingen fürchten, die im Buch des Letzten Gottes geschrieben stehen.«
    Einer der Leibwächter Avanns gesellte sich zu ihnen und warf Tegric einen missbilligenden Blick zu.
    »Lass den Than in Frieden«, sagte er. »Er muss mit seinen Kräften haushalten.«
    Diese Worte bewirkten, dass Avann endlich den Kopf hob. Mit schmerzverzerrter Miene öffnete er die Augen.
    »Mein Tod kommt, wann er kommen muss. Bis dahin aber bin ich der Than und kein sieches altes Weib, das man in warme Decken packt und mit Brühe füttert. Wenn Tegric mich noch als Than behandelt, sollte es meine Garde erst recht tun.«
    Der Leibwächter nahm den Tadel mit einem Nicken entgegen, wich aber nicht von der Seite seines Herrn.
    »Lasst mich hier warten, Herr«, sagte Tegric leise. »Mir reichen hundert Mann, um das Tal zu halten, bis unsere Leute einen sicheren Vorsprung haben.«
    Der Than musterte Tegric. »Vermutlich sind wir bei unserer Ankunft im Norden auf jeden Mann angewiesen. Die Stämme dort werden uns nicht gerade willkommen heißen.«
    »Es wird keine Ankunft geben, wenn der Feind uns hier im Tal angreift. Mein Plan bringt Euch einen halben Tag, vielleicht mehr. Die Klippen verengen sich weiter vorn, und ein alter Felsensturz behindert den Durchgang. Ich kann den Weg gegen Reiter halten. Um größeres Blutvergießen zu vermeiden, werden sie auf das Hauptheer warten, anstatt die Passage zu erzwingen.«
    »Und dann seid ihr hundert gegen – wie viele? Fünftausend? Sechs?« Avann stöhnte.
    »Mindestens«, entgegnete Tegric mit einem Lächeln.
    In der Menge, die sie umringte, stürzte ein Greis. Er schrie auf, als er sich an einem Stein das Knie blutig schlug. Eine grauhaarige Alte – vielleicht seine Frau – eilte zu ihm und versuchte ihn aufzurichten. »Steh auf!«, murmelte sie. »Steh auf!« Ein gutes Dutzend Leute, darunter der Than und Tegric, zogen an ihr vorbei, ehe sie es schaffte, ihm wieder auf die Beine zu helfen. Sie weinte still vor sich hin, während der Mann weiterhumpelte.
    »Viele Menschen sind bereits für unseren Glauben gestorben«, sagte Avann oc Gyre. Er schloss abermals die Augen und ließ den Kopf nach vorn sinken, eine müde, gebeugte Gestalt. »Wenn du uns einen halben Tag verschaffst – wenn es denn so im Buch des Letzten Gottes geschrieben steht –, wird man deiner und der hundert Krieger noch lange gedenken. Wenn die Ländereien, aus denen man uns vertrieben hat, dereinst wieder uns gehören, wird das Volk dich vor allen anderen Toten ehren. Und wenn diese bittere Welt ein Ende hat und wir endlich einkehren in die Liebe der Götter, werde ich nach dir Ausschau halten und dir die Ehre erweisen, die dir zukommt.«
    Tegric nickte. »Wir werden uns in der neuen Welt wiedersehen, mein Than.«
    Er wendete sein Pferd und lenkte es gegen den Menschenstrom.

    Tegric lehnte sich gegen einen großen Felsblock. Er hatte seinen Rock ausgezogen und nähte mechanisch einen zerrissenen Saum hoch. Sein Kettenhemd war ordentlich auf einem Stein ausgebreitet, sein Schild und der
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