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Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Titel: Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
Autoren: Kjell Ola Dahl
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    Er lag auf dem Rücken, die Beine gespreizt, die Arme zur Seite ausgestreckt. Er trug hellbraune Schnürschuhe, helle Jeans und ein dunkles Jackett über einem blau-weiß gestreiften Hemd. Der eine Arm lag bis zur Schulter hinter der Bank, die zwischen zwei Granitblöcken am Straßenrand stand. Die Finger der anderen Hand waren gespreizt, als hätten sie nach etwas gesucht, woran sie sich festhalten konnten. Der Sekundenzeiger der Armbanduhr schlug wie ein winziger Hammer. Die Uhr zeigte sieben Minuten nach drei.
    Gunnarstranda hob den Kopf und sah zu den Häuserwänden um den Grønland Torg hinauf. Hinter einigen Fenstern brannte Licht. Hier und da konnte er blasse, neugierige Gesichter zu ihnen hinunterschauen sehen.
    Die Scheinwerfer warfen ein grelles, gleißendes Licht auf den Asphalt und das Kopfsteinpflaster. Das Absperrband flatterte, als eine Windbö über den Platz strich. Hinter der Absperrung hatten sich Schaulustige versammelt. Die meisten waren uniformierte Polizisten.
    Eine Gestalt in einem weißen Overall stocherte am Stamm eines der Bäume herum, die die Straße säumten. Es war eine Frau. Plötzlich drehte sie sich um. »Seht mal!« Sie zeigte ihren Fund mit einer kleinen Zange. Es war ein Stück Metall. Die Frau drehte die Zange und schaute sich das Fundstück genau an.
    Gunnarstranda begutachtete den Winkel des Lochs in der Baumrinde und schaute zur Bank hinüber. Als er Schritte hörte, stand er auf. Aus dem blendenden Scheinwerferlicht trat Schwenke, der Gerichtsmediziner. Er zog Plastikhandschuhe an, beugte sich über die Leiche und öffnete einen Knopf des Hemdes, das an dem toten Körper klebte. »Eine einzige Wunde«, stellte er fest.
    Sie drehten den Toten auf die Seite. Schwenke zog die Jacke und das Hemd auf dem Rücken der Leiche nach oben. Er strich mit dem Finger über die Austrittswunde, stand dann auf und rollte sich die Handschuhe wieder herunter. »Sündige Sommernacht, was Gunnarstranda? Oder hast du etwa im Bett gelegen und geschlafen, als der Anruf kam?«
    Der Kommissar sah starr auf die Leiche hinunter. »Irgendwann müssen wir uns mal über meine Alpträume unterhalten. Sie verändern ihren Charakter.«
    »Du weißt, wer das ist?«
    Gunnarstranda nickte. »Ivar Killi. Polizeibeamter.« Er wies mit ausgestrecktem Arm auf die Polizisten, die sich auf dem Bürgersteig hinter der Absperrung versammelt hatten. »Hast du dich nicht gefragt, warum alle Bullen der Stadt jetzt hierhertraben?«
    Der Gerichtsmediziner sah sich erneut um, dann wanderte sein Blick zu dem Toten. »War er im Dienst?«
    Gunnarstranda zog eine Zigarette aus der Tasche. »Findest du, dass das eine Rolle spielt?« Die Selbstgedrehte hatte sich in seiner Tasche wie eine Banane verbogen, und die Flamme des Feuerzeugs erhellte sein mageres Gesicht, sodass es für ein paar Sekunden an einen Totenschädel erinnerte. Er hustete.
    »Nun hör doch endlich mit dem Rauchen auf«, zischte der Gerichtsmediziner angewidert, »du klingst wie ein Esel mit Asthma.«
    Gunnarstranda starrte abwesend auf den Toten hinunter. »Killi war Nichtraucher«, sagte er und blickte auf. Emil Yttergjerde stieg über die Absperrung und kam zögernd auf sie zu. Yttergjerde wirkte blass und betreten. »Petter Bull war zuerst da«, sagte er und fügte hinzu: »Aber es werden immer mehr. Die Nachricht verbreitet sich schnell. Die Leute können es einfach nicht begreifen.«
    Gunnarstranda inhalierte und piepste atemlos. »Wir haben gerade überlegt, ob Killi im Einsatz war.«
    Yttergjerde antwortete nicht sofort. Als er sprach, klang seine Stimme leise und kühl. »Ivar war seit vier Wochen krankgeschrieben«, sagte er. »Und wenn das jemand ganz genau wissen sollte, dann ja wohl du!«
    Schwenke zog beim letzten Satz beide Augenbrauen hoch. Er sah von einem Polizisten zum anderen.
    Das grelle Licht wurde von der Rauchwolke reflektiert, die Gunnarstrandas Gesicht umhüllte. »Wo ist Bull?«, fragte er tonlos.
    Yttergjerde zeigte auf den Streifenwagen. »Im Wagen. Petter muss sich erst mal beruhigen.«
    »Und die Bedienung, die Alarm geschlagen hat?«
    »Wartet drinnen.«
    »Gehst du?«
    Yttergjerde drehte sich ohne ein Wort um und entfernte sich mit schnellen Schritten.
    Gunnarstranda und Schwenke blieben schweigend zurück und sahen zu, wie er über die Absperrung stieg, sich einen Weg durch die Menge bahnte, die Straße überquerte und schließlich im Eingang des Lokals Asylet verschwand – einem gelben Fachwerkhaus zwischen den
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