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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest
Autoren: Jørn Lier Horst
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ihm auch schon durch den Kopf gegangen war.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte er und schwieg, bis sie ihre Untersuchung beendet hatte.
    »Du hast eine Platzwunde, die nicht gut aussieht«, erklärte sie und suchte ein Pflaster heraus. »Aber ich denke, das wird schon.«
    Er küsste sie zum Dank. Sie strich ihm mit der Hand über die Brust und den Bauch, ein kleiner Hinweis darauf, was ihm entgehen würde. Er lächelte, gab ihr noch einen Kuss und zog die Sachen an, die sie ihm hingelegt hatte.
    »Hast du ein Taxi gerufen?«, fragte er.
    »Ich kann dich fahren«, sagte sie. »Nachdem du gegangen warst, habe ich nichts mehr getrunken.«

5
    Nils Hammer war eine halbe Stunde zuvor in der Polizeistation eingetroffen und half Wisting, ins Haus zu kommen.
    Hammer war ein großer Kerl, ungefähr fünf Zentimeter größer als Wisting, mit schweren Gesichtszügen. Er galt als Eigenbrötler, aber auch als fähiger Polizist, der seinen Beruf ernst nahm.
    Er war ausdauernd, eine unverzichtbare Eigenschaft für einen Ermittler. Hammer ließ niemals locker, er ging vollkommen in seiner Arbeit auf. Ebenso wie Wisting konnte Hammer wie besessen davon sein, einen Fall zu lösen. Sie hatten schon unzählige Nächte zusammen auf der Dienststelle verbracht, mit großen Planungsskizzen, großen Theorien und abgestandenem Kaffee. Das war der Grund, warum Nils Hammer immer unter den Ersten war, die Wisting anforderte, wenn es ein neues Ermittlungsteam aufzustellen galt.
    »Torunn ist unterwegs«, erklärte er.
    Er roch leicht nach Bier, war aber nicht sichtlich angetrunken. Er war nicht der Einzige, der seine Pläne für den Freitagabend hatte ändern müssen.
    »Okay«, sagte Wisting und nickte. Es war beruhigend, dass auch Torunn Borg bei der einleitenden Phase dabei sein würde. Sie war effizient, gründlich und fachlich kompetent. »Wir fangen mit der Besprechung an, wenn sie da ist.«
    »Ich habe eine Ortung deines Handys veranlasst«, fuhr Hammer fort und ging vor ihm die Treppe zur Ermittlungsabteilung hinauf.
    So weit hatte Wisting noch gar nicht gedacht. Sein Mobiltelefon sendete ständig Signale aus. Die Telefongesellschaft konnte über die Basisstationen peilen, wo sich das Handy befand. Der Gedanke machte ihn enthusiastisch und optimistisch.
    »Es ist irgendwo hier in der Stadt«, fuhr Hammer fort. »Telenor ist dabei, einzelne Sendemasten abzuschalten, um eine genauere Position zu erhalten.«
    »Wann können wir mit dem Ergebnis rechnen?«
    Hammer zuckte die Schultern. »In fünfzehn, zwanzig Minuten vielleicht. Wir können nur hoffen, dass das Auto nicht in Bewegung ist.«
    Wisting bedankte sich und ging in sein Büro. Er schaltete den Rechner ein. Es würde ein paar Minuten dauern, bis er hochgefahren war. In der Zwischenzeit hatte er zwei Telefonate zu führen. Als Erstes wählte er die Nummer von Christine Thiis. Sie war neu eingestellt worden, nachdem Audun Vetti befördert worden war und die Polizeistation verlassen hatte.
    Christine Thiis war eine erfahrene Strafverteidigerin aus Oslo, hatte aber die Karriere sausen lassen und der Großstadt den Rücken gekehrt. Sie war die eindeutig bestqualifizierte Bewerberin gewesen und hatte den weit schlechter bezahlten Posten als Polizeianwältin angenommen. Sie hatte heute Bereitschaftsdienst als Untersuchungsrichterin und war damit automatisch verantwortlich für den vor ihnen liegenden Fall.
    Thiis meldete sich nach dem ersten Klingelsignal. »Ich habe schon versucht, dich zu erreichen«, sagte sie. Ihr Tonfall klang angestrengt und leicht gereizt. »Ich muss wissen, was los ist.«
    Wisting räusperte sich und brauchte drei Minuten, um ihr den Fall zu schildern. Er konnte sie direkt vor sich sehen, während er sprach: die Wangen leicht gerötet vor Eifer, die braunen Augen hellwach.
    »Aber dir geht es gut?«, fragte sie, nachdem sie die ganze Geschichte gehört hatte.
    »Ja, alles okay«, versicherte Wisting.
    Er hörte, wie sie in Unterlagen blätterte. Sie hatte sich bestimmt Notizen gemacht, während er sprach.
    »Was haben wir in der Hand?«, fragte sie.
    »Vorläufig noch nichts Konkretes, aber wir stehen ja erst am Anfang.«
    »Okay. Ich komme hier nicht weg. Die Kinder schlafen und ich kann sie nicht allein lassen.«
    »Wir brauchen einen Untersuchungsrichter«, sagte Wisting. »Soll ich mich umhören, ob jemand anderes den Fall übernehmen kann?«
    »Nein«, kam es prompt zurück. »Ich habe meine Mutter angerufen. Sie kommt aus Lillestr ø m her und wird in ein paar
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