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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest
Autoren: Jørn Lier Horst
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einem kurzen Moment hatten seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt. Die Umgebung zeichnete sich in verschiedenen Grautönen ab und er konnte gerade noch sehen, wie die roten Rücklichter seines eigenen Autos um die nächste Kurve verschwanden.
    Wisting rappelte sich auf, spuckte Blut und fluchte. Sein Mobiltelefon lag im Auto.
    Von Weitem konnte er das Geknatter des Hubschraubers hören, der im Niedrigflug die Küste absuchte. Wisting spuckte erneut aus, blickte zurück und versuchte sich zu erinnern, wo das nächste Haus lag. Dann beschloss er, in die dieselbe Richtung zu gehen, in der das Auto verschwunden war.
    Nach zehn Minuten tauchten die Lichter eines Bauernhofs auf. Er ging schneller, legte das letzte Stück im Laufschritt zurück.
    Es war ein weißes Bauernhaus, zweistöckig mit einer breiten Treppe, flankiert von einer roten Scheune und zwei Stallgebäuden. Mitten auf dem Hofplatz stand eine alte Eiche mit ausladender Blätterkrone.
    Ein paar Pferde in der Scheune wieherten und bewegten sich unruhig, als sie ihn witterten.
    Oben auf der Treppe saß eine grau-weiße Katze. Sie starrte ihn aus gelben Augen an und machte einen Buckel, ehe sie einen schwarzen Vogel mit spitzem Schnabel, der vor ihr auf der Fußmatte lag, packte und mit ihm im Maul davonlief.
    Die Tür war blau gestrichen. Ein großes Keramikschild am Rahmen über der Klingel verriet ihm, wer hier wohnte. Wisting drückte den Klingelknopf und betastete sein Gesicht, während er wartete. Es tat überall weh.
    Dann ging im Inneren des Hauses eine Tür und er konnte hinter dem Riffelglas eine Bewegung im Flur erahnen.
    Ein Mann mit einem mächtigen roten Bart öffnete. Er stand in dem breiten Eingang und musterte Wisting.
    »Ich bin Polizist«, erklärte Wisting und suchte einen Moment lang seine Hosentaschen ab, bis ihm einfiel, dass sein Dienstausweis in der Brieftasche steckte, die im Auto lag.
    Der Mann nickte und trat einen Schritt beiseite, um ihn einzulassen. Wisting war als leitender Ermittler so oft in den Medien, dass die meisten Leute im Distrikt wussten, wer er war.
    »Was ist passiert?«, erkundigte sich der Mann und machte die Tür hinter ihm zu.
    Wisting nahm sich nicht die Zeit, ihm zu antworten. »Ich muss telefonieren«, sagte er nur.
    Der Mann zog ein Handy aus der Tasche. »Sie sehen nicht gut aus«, sagte er. »Wollen Sie sich waschen?«
    Wisting schüttelte den Kopf, nahm das Handy und wählte die Nummer der Einsatzzentrale. Er beschrieb kurz und präzise, was geschehen war.
    Der bärtige Mann stand mit großen Augen daneben und hörte zu, und als Wisting das Gespräch beendete, fragte er freundlich, ob er irgendwie helfen könne.
    Wisting überlegte kurz. »Haben Sie ein Auto?«
    Der Mann nickte und griff nach seiner Jacke. »Steht in der Scheune.«
    Wisting ließ sich von dem Mann nach Hause fahren. Ihm fiel ein, dass er auch keine Hausschlüssel hatte. Die hingen am selben Schlüsselbund wie die Autoschlüssel. Sein Hausausweis für die Polizeistation war ebenfalls weg. Er steckte zusammen mit dem Dienstausweis in der Brieftasche.
    Er musste an seiner eigenen Haustür klingeln.
    Suzanne öffnete zögernd. »Du liebe Güte«, stöhnte sie und packte ihn am Arm. »Wie siehst du denn aus?«
    »Idiotische Geschichte«, sagte Wisting und musste zum ersten Mal lächeln.
    Er ging ins Bad, zog die nasse und blutbespritzte Kleidung aus und erzählte dabei, was passiert war.
    »Würdest du mir frische Sachen raussuchen?«, fragte er und ging unter die Dusche.
    Sie nickte und sammelte das schmutzige Zeug ein.
    »Nicht waschen«, bat er und drehte das Wasser auf. »Häng es zum Trocknen auf. Etwas von dem Blut könnte von ihm sein.«
    Das Wasser wurde rasch heiß. Wisting schloss die Augen und lehnte sich zurück in den Wasserstrahl.
    »Du solltest zum Arzt gehen«, sagte Suzanne.
    Er wischte einen Streifen in die beschlagene Glastür und blickte zu ihr hinaus. »Mal sehen«, erwiderte er. »Kannst du mir ein Taxi rufen?«
    »Lass mich jedenfalls einen Blick darauf werfen, bevor du fährst.«
    Er protestierte nicht und duschte zu Ende. Sie gab ihm ein Handtuch aus dem Schrank und holte die Erste-Hilfe-Tasche.
    Als sie zurückkam, blieb er nackt vor ihr stehen, während sie sein Gesicht untersuchte.
    »Glaubst du, er war es?«
    »Wer?«
    »Der Mörder.« Sie drückte einen jodgetränkten Wattebausch auf die Wunden. Es brannte. »Glaubst du, dass er es war, mit dem du dich geprügelt hast?«
    Sie stellte ihm die gleiche Frage, die
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