Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Gesprächen über Eishockey verschwendet. Aber worüber hätte sie sonst mit ihm reden sollen? Carla wusste es selbst nicht.
    Franck sagte zu Maud: »Ich habe deine Kolumne im Demokrat gelesen.«
    »Ich hoffe, sie hat dir gefallen.«
    »Ich finde es schade, dass du so despektierlich über unseren Kanzler schreibst.«
    »Findest du, Journalisten sollten sich nur respektvoll über Politiker äußern?«, entgegnete Maud. »Dann solltest du dir mal ansehen, was die Nazi-Presse über meinen Mann und seine Partei schreibt.«
    Sie überquerten die belebte Kreuzung am Potsdamer Platz, wo Autos und Straßenbahnen, Pferdekarren und Fußgänger für ein Verkehrschaos sorgten.
    »Ihr Sozialisten lebt in einer Traumwelt«, sagte Franck. »Ich bin Realist. Deshalb weiß ich, dass Deutschland nicht von Ideen allein leben kann. Die Menschen brauchen Brot, Schuhe und Kohle.«
    »Das sehe ich genauso«, sagte Maud. »Ich könnte selbst mehr Kohle brauchen. Aber ich will auch, dass Carla und Erik in einem freien Land aufwachsen.«
    »Du räumst der Freiheit einen viel zu hohen Stellenwert ein. Freiheit macht die Menschen weder satt noch glücklich. Sie brauchen Führung. Ich will, dass meine Kinder in einem Land aufwachsen, das stolz, diszipliniert und vereint ist.«
    »Ach ja? Und um vereint zu sein, brauchen wir Schläger in braunen Hemden, die jüdische Ladenbesitzer verprügeln?«
    Franck zuckte mit den Schultern. »Politik ist ein hartes Geschäft. Daran können wir nichts ändern.«
    »Oh doch, das können wir. Du und ich stehen auf unterschiedliche Art in der Verantwortung. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass Politik nicht mit den Fäusten ausgetragen wird. Wir müssen dazu beitragen, dass die Gewalt aus der Politik verschwindet. Sie muss ehrlicher und sachlicher werden. Dafür müssen wir kämpfen, sonst versäumen wir unsere patriotische Pflicht.«
    Franck versteifte sich unwillkürlich.
    Carla staunte über ihre Mutter. Sie wusste, dass Männer es nicht mochten, wenn Frauen sie über ihre Pflichten belehrten. Offenbar hatte Mutter vergessen, heute Morgen ihren Charme einzuschalten. Aber das lag wohl daran, dass alle angespannt waren. Die bevorstehende Wahl machte die Leute nervös.
    Sie erreichten den Leipziger Platz. »Wo darf ich euch absetzen?«, fragte Franck kühl.
    »Gleich hier«, antwortete Maud.
    Franck klopfte an die Trennscheibe. Ritter hielt, stieg aus und öffnete die Tür.
    »Ich hoffe, Frieda geht es bald wieder besser«, sagte Maud.
    Ein knappes »Danke« war Francks ganze Antwort.
    Maud und Carla stiegen aus. Ritter schlug die Tür zu, setzte sich ans Steuer und fuhr davon.
    Die Zeitungsredaktion war noch ein paar Minuten Fußmarsch entfernt, doch Maud hatte offensichtlich nicht mehr im Wagen weiterfahren wollen. Carla hoffte nur, dass sie sich nicht endgültig mit Herrn Franck verkracht hatte. Dann würde es schwierig für sie, Frieda und Werner zu sehen, und das wäre schmerzlich.
    Schnellen Schrittes machten sie sich auf den Weg. »Sieh zu, dass du in der Redaktion niemandem im Weg stehst«, sagte Maud. Das Flehen in ihrer Stimme rührte Carla, und sie schämte sich, ihrer Mutter so viele Sorgen zu bereiten. Sie nahm sich fest vor, sich vorbildlich zu benehmen.
    Carla staunte, wie viele Leute ihre Mutter unterwegs grüßten. Aber sie schrieb ihre Kolumne nun schon so lange, wie Carla denken konnte; entsprechend bekannt war »Lady Maud« der Presselandschaft.
    In der Nähe der Redaktion des Demokrat sahen sie einen Mann, den sie kannten: Feldwebel Schwab. Er hatte mit Walter im Großen Krieg gekämpft und trug sein Haar noch immer so kurz wiebeim Militär. Nach dem Krieg hatte er als Gärtner gearbeitet, zuerst für Carlas Großvater und später für ihren Vater; aber er hatte Geld aus Mauds Börse gestohlen, und Walter hatte ihn gefeuert. Nun trug er die hässliche Uniform der Sturmabteilungen, der Braunhemden, die keine Soldaten waren, sondern Nazis, die als Hilfspolizisten arbeiteten.
    »Guten Morgen, Frau von Ulrich!«, sagte Schwab so munter, als schäme er sich gar nicht, ein Dieb zu sein. Er legte nicht einmal den Finger an die Mütze.
    Maud nickte kühl und ging an ihm vorbei. »Was der hier wohl macht?«, murmelte sie nervös und betrat mit Carla das Gebäude.
    Die Zeitungsredaktion nahm den gesamten ersten Stock ein. Ein Kind war hier nicht gern gesehen; deshalb hoffte Carla, dass sie Mutters Büro erreichten, bevor jemand sie entdeckte. Dann aber lief ihnen ausgerechnet Herr Jochmann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher