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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist
Autoren: Jan Guillou
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    Der Tod kam per Bierwagen. Hinterher war die Polizeiführung im Präsidium Beim Strohhause 31 natürlich schlauer. Zunächst aber hatte es so ausgesehen, als handelte es sich nur um einen der täglich rund 200 Kraftfahrzeugdiebstähle in Hamburg. Dabei war es außerdem noch unklar gewesen, welche Abteilung der Anzeige nachgehen sollte. War es einfacher Diebstahl oder die schwerere Form des Transportdiebstahls, da der Bierwagen mit 4000 Flaschen Ratsherrn-Pils beladen gewesen war? Der Gedanke lag nahe, daß ein paar Jugendliche sich an diesem Montagmorgen, am 14. November, mit einem reellen Vorrat eingedeckt hatten, um ihren Nachdurst vom Wochenende zu löschen.
    Überdies hatte der Sicherheitsoffizier der Führungsakademie der Bundeswehr vom Hamburger Verfassungsschutz eine Warnung erhalten.
    Da die Ausbildung ausländischer Offiziere an der Führungsakademie wieder einmal in die öffentliche Kritik geraten war - diesmal waren es keine Kadetten aus Chile, denen eine Spezialausbildung zuteil wurde, sondern, noch schlimmer, Offiziere aus Honduras -, durfte man davon ausgehen, daß es zu Demonstrationen kommen würde. Vor allem, da ein Pressesprecher der Bundeswehr bekanntgegeben hatte, daß einige hohe Generale in zwei Tagen beim offiziellen Abschluß des Kurses anwesend sein würden.
    Vorstellbar waren beispielsweise gewalttätige Demonstrationen und diverse Sachbeschädigungen, wie etwa Attacken von Graffiti-Künstlern. In einem in der Stadt anonym verteilten Flugblatt hieß es, die Bundesrepublik habe sich wieder einmal offen an die Seite des US-Imperialismus gestellt, indem sie sich der Ausbildung von dessen Lakaien und damit auch direkter kriegerischer Handlungen gegen die Revolution in Nicaragua schuldig gemacht habe.
    Schon die in dem Flugblatt geäußerten Gedanken sowie der Umstand, daß es anonym war, hätten größtmögliche Sicherheitsvorkehrungen auslösen müssen.
    Möglicherweise hatte sich der Sicherheitschef der Führungsakademie das auch vorgenommen, jedoch nicht vor dem Eintreffen der Generale, das als der kritische Zeitpunkt betrachtet werden mußte.
    Die Führungsakademie der Bundeswehr liegt in der Manteuffelstraße 20 in einem idyllischen Villenviertel zwischen Blankenese und Nienstedten, einem einst ländlichen Vorort Hamburgs. Die roten Klinkerbauten dienten im Zweiten Weltkrieg schon der Wehrmacht als Kasernen.
    Der Bierwagen, der auf dem Weg nach Blankenese die Villen an der Elbchaussee hinter sich gebracht hatte und in die Manteuffelstraße einbog, war ein alltäglicher Anblick. Zwar hatte der Posten beim Einfahrtstor wie das gesamte Wachpersonal militärischer Anlagen sowohl der Bundesrepublik wie der NATO in den letzten Jahren zahlreiche Verhaltensvorschriften erhalten, was die Kontrolle von Personen und Fahrzeugen betraf. Besucher und militärisches Personal wurden minuziös überprüft. Truppenausweise boten keine Sicherheit mehr, da es Terroristen schon mehrmals gelungen war, sich solche Papiere zu beschaffen. So war es etwa den Angehörigen der Streitkräfte in den meisten Anlagen verboten, mit Privatfahrzeugen Militärgelände zu befahren.
    Der Bierwagen wurde jedoch ohne weiteres durchgewinkt. Der Wachtposten erklärte am nächsten Tag, daß das Kennzeichen des Fahrzeugs seit langem bekannt und daß es zur gewohnten Stunde erschienen sei.
    Später stellte sich heraus, daß der Fahrer sich äußerst kaltblütig verhalten hatte. Er hatte auf dem Gelände kurz angehalten und einen vorbeigehenden Leutnant gefragt, in welcher Baracke die lateinamerikanische Delegation wohne, da er dort Bier anliefern solle. Der Leutnant hatte es ihm erklärt.
    Zehn Minuten später, als 22 junge Offiziere aus Honduras zur Mittagspause in ihr Quartier zurückkehrten, stand der Bierwagen vor der Eingangstür.
    Um diese Zeit hatte aber die Hauptwache schon Verdacht geschöpft und einen Feldwebel namens Heinrich Behnke losgeschickt, um der Sache nachzugehen. Behnke fand den Bierwagen leer vor. Merkwürdig, dachte er, als er sich auf das Trittbrett stellte und an den Türgriff faßte. Es war das letzte, was er dachte.
    Soweit sich nachträglich feststellen ließ, mußte der Bierwagen mit mindestens 25 Kilogramm TNT sowie rund 20 Gasflaschen beladen gewesen sein.
    Die Druckwelle der Explosion hatte in einem Umkreis von 500 Metern sämtliche Fenster zertrümmert, und die Rauchwolken waren fast in ganz Hamburg zu sehen. Vier deutsche und neun ausländische Offiziere kamen bei dem Anschlag ums Leben.
    Nach den
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