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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist
Autoren: Jan Guillou
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normaler Polizist. Der Verfassungsschutz hatte jedoch weit größere Möglichkeiten, sich außenstehender V-Männer zu bedienen. In diesem Fall ging es überdies ja noch darum, einen Ausländer zu engagieren. Für die reguläre Polizei wäre das sowohl technisch wie juristisch unmöglich. Der Verfassungsschutz konnte es unter Umständen möglich machen.
    Folglich sollte die Sache an den Verfassungsschutz mit der Anfrage gehen, ob dieser interessiert sei, den Fall zu übernehmen.
    Weshalb es Dietmar Werth angesichts der bevorstehenden Empfehlung an seine Vorgesetzten im BKA nicht ganz wohl war, hatte nicht allzuviel mit Logik zu tun. Denn logisch stand zweifelsfrei fest, daß der Fall beim Verfassungsschutz am besten aufgehoben war. Die Konkurrenzsituation zwischen dem BKA und dem Verfassungsschutz lud jedoch nicht gerade dazu ein, derart interessante Fahndungsaufträge einfach aus der Hand zu geben. Beim BKA betrachtete man die Kollegen vom Verfassungsschutz als Schreibtisch-Polizisten und Bürokraten.
    Beim Verfassungsschutz hielt man die Kollegen vom BKA bestenfalls für primitive »Bullen« und im schlimmeren und normalerweise leider üblichen Fall für geistig minderbemittelte Paviane.
    Dennoch hatte sich Dietmar Werth schon entschieden, als er die beiden einsamen Stockenten im Teich des Kurparks betrachtete, einen Erpel und ein Weibchen. Er wollte das Risiko auf sich nehmen, wollte der Logik vor der Angst, sich bei seinen Vorgesetzten zu blamieren, Vorrang geben. Er würde empfehlen, die Angelegenheit an den Hamburger Verfassungsschutz abzugeben, verbunden mit der Anfrage, ob man dort irgendwelche Möglichkeiten zu speziellen Operationen sehe, besonders im Hinblick auf den von den Terroristen offenbar gewünschten schwedischen Mitkämpfer.
    Wahrscheinlich würde der Abteilungspräsident verrückt spielen, wahrscheinlich würde das Ganze dazu führen, daß man sowohl beim Hamburger wie beim Kölner Verfassungsschutz dankend ablehnte, und damit würde die Sache wieder beim BKA in Wiesbaden landen. Dort würde dann Dietmar Werth der Dumme sein und die Sache zum zweiten Mal auf den Schreibtisch bekommen. Das befürchtete er jedenfalls. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, daß dies tatsächlich der richtige Weg war, daß er zu der Besprechung beim Abteilungspräsidenten genau mit diesem Vorschlag gehen mußte. Er zog den Mantel enger um sich, da der Nieselregen allmählich dichter wurde, und ging mit schnellen, zielbewußten Schritten den Abhang zur Thaerstraße hinauf.
    Er hatte sich mit seinen pessimistischen Vermutungen geirrt. Der Abteilungspräsident lobte ihn für die schwierige, nach Lage der Dinge aber korrekte Beurteilung, die es geraten sein lasse, die Sache an den Verfassungsschutz abzugeben.
    Und dieser sollte nun wider alle Vernunft und gegen alle Hoffnung den perfekten Infiltranten finden.

3
    Gemessen an seiner Funktion im Sicherheitsapparat der Bundesrepublik hatte Loge Hecht eine seltsame Angewohnheit. Er fuhr jeden Morgen mit der U-Bahn zum Hamburger Hauptbahnhof und ging dann zu Fuß, regelmäßig wie ein Uhrwerk, das kurze Stück zum Johanniswall 4. Seine Kollegen - zumindest die, die etwa den gleichen Dienstrang besaßen wie er - fuhren in einem dunkelblauen Mercedes 190 mit Chauffeur und dunklem, gepanzertem Glas zur Arbeit. Sie taten das zu unregelmäßigen Zeiten und benutzten nur selten den Haupteingang.
    Hecht blieb kurz vor dem Portal mit den sechs runden Spiegelglasscheiben stehen und warf einen Blick in den Schnapsladen, wo Slogans wie Sonderangebot und Sensationelles Angebot verkündeten, daß der Beaujolais Nouveau des Jahres schon jetzt ausverkauft werde. Hecht zögerte, ob er zugreifen sollte, solange er das seiner Frau, einer geborenen Französin, gegebene Versprechen noch nicht vergessen hatte.
    Loge Hecht war in mehr als nur einer Hinsicht ein konservativer Mann. Er bevorzugte deutsche Weine, zur stillen Verzweiflung seiner Frau sogar deutsche Rotweine. Er war Mitglied der CDU, saß aber trotz des sozialdemokratischen Senats in Hamburg fest im Sattel. Seine fachliche Kompetenz war einfach über alle parteipolitischen Bedenken erhaben; er galt allgemein als einer der fähigsten Männer beim deutschen Verfassungsschutz.
    Gerade deshalb mochten einige seiner Gewohnheiten exzentrisch erscheinen.
    Jetzt verharrte er reglos vor dem Eingang zu seiner Dienststelle, einen Meter von dem diskreten, unauffällig braunen Schild mit den verrußten Goldbuchstaben entfernt, auf dem Behörde
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