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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau
Autoren: Michal Hvorecky
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PROLOG
    Martin Roy mühte sich im dichten Rauch vorwärts, der von mehreren Nebelmaschinen im Gang verteilt wurde. Er trug einen silbernen Feuerschutzanzug und auf dem Kopf einen gelben Helm. Er sah keinen Schritt weit. Der Mund schien wie verschnürt. Voller Ungeduld und ganz im Sinne der Regeln kniete er nieder, tastete sich mit den Händen vorwärts und robbte sogar ein Stück weit. Diese neue Lage war zwar unbequem, allerdings auch sicherer. Auf Bodenhöhe gab es noch etwas Sauerstoff. Die Klimaanlage rauchte, was das Zeug hielt, und in der Hitze klebte ihm die Kleidung im Nacken. Aus den Boxen drangen Warnsignale und menschliche Stimmen.
    Das Stroboskop simulierte eine Feuersbrunst. Der enge Raum wirkte noch kleiner, klaustrophobisch geradezu. Martin versuchte sich daran zu erinnern, wo sich die nächste Tür befand. Das Schiff schien nun viel größer zu sein, als er es in Erinnerung hatte. Der Gang nahm kein Ende. Er hatte Angst, er würde es nicht schaffen. In diesem unmöglichen Aufzug schwitze er wie ein Schwein. Er hattelängst zehn Kajüten passiert, eine ganze Menge Zeit verloren und die betreffende Person noch immer nicht entdeckt. Links, rechts, links, er legte alle Energie in die Bewegungen, und seine Lunge drohte dabei zu bersten. Die Haut brannte, er war verwirrt, nervös, und in seinem Kopf drehte sich alles. In seinem schmerzenden Fuß verspürte er einen Krampf, Schauer liefen seinen Rücken entlang.
    Er musste ständig daran denken, dass eine unerbittliche Schiedsrichterin mit einer Stoppuhr an der Rezeption saß. Die Amerikaner werteten ständig die Reaktionen von alten und neuen Angestellten aus. Irgendwo hinter ihm stand einer der Laufburschen, jede seiner Bewegungen versuchte er mit der Kamera einzufangen und übertrug bestimmt alles live nach Chicago. All seine Bemühungen schienen erfolglos – für diese Arbeit war er einfach nicht geeignet! Er kam sich unbeholfen vor, eine typische Landratte eben.
    Martin durchlebte seinen ersten »fire drill« in Lobith, inmitten der holländischen Docks: eine Übung, um die Reaktionen bei Schiffskatastrophen zu trainieren, bei Feuer, Wassereinbruch und Piratenangriff. Eine komplette Feuer- und Sicherheitsschulung sowie der Umgang mit Terrorangriffen, dies wurde nicht nur in der Nähe der somalischen Küste oder in ostasiatischen Gewässern eingefordert, nein, es galt in der gesamten Europäischen Union. Eine Gruppe Angestellter trainierte soeben gemeinsam die Verhaltensregeln für ein großflächiges Feuer. Das GPS hatte schon vor einer halben Stunde ein Warnsignal abgesetzt, das automatisch die Position des Schiffes übermittelte und Hilfe herbeirief. Die gespielte Rettungsaktion lief auf Hochtouren. Wertvolle Sekunden verstrichen, und Martin stand unter Zeitdruck. Die meisten seiner Schritte erfolgten gemäß dem Plan. Doch irgendwo steckte noch eine Person, ohne die man die Evakuierung nicht abschließen konnte. Die Verantwortung oblag ihm. Es stand zu befürchten, dass sich, sofern er die Übung nicht in den nächsten beiden Minuten abschließen konnte, der gesamte Raum hermetisch verschließen und kein Hahn mehr nach ihm krähen würde. Er würde nicht mehr nach draußen gelangen können und auch keinanderer, der hier mit ihm – und ohne es verschuldet zu haben – hinter der Barriere zurückbleiben müsste.
    Schnell aufzugeben würde allemal Schande bedeuten. Es hatte ihn beträchtliche Mühen und Geld gekostet, bis zu dieser abschließenden Prüfung zu gelangen. Und eigentlich hatte er gar keine Lust, jetzt schon abzureisen – in diesem Fall würde man ihm nicht einmal Flugticket und Spesen erstatten. Er wollte um jeden Preis das Ziel erreichen. Er tastete sich mit den Fingern die Tapeten entlang, fand einen Metallrahmen und eine Klinke. Er drückte sie und stolperte in die Kajüte. Mit Hilfe der Taschenlampe konnte er in der Dunkelheit einige Gegenstände ausmachen. Der winzige Raum hatte eine weiß gestrichene Decke, und an der Wand befand sich ein Klappbett. Er richtete sich auf und eilte zum Bett, enttäuscht musste er feststellen, dass es leer war. Eigentlich legte man die Puppen und Büsten sonst hier ab. Er musste husten, all der beißende Rauch, der bis zum Boden reichte. Auf einem Tischchen befanden sich eine Tastatur und darüber ein Monitor.
    Eine winzige Tür führte ins Bad. Er öffnete diese, und auf einer Miniaturanrichte unter dem Spiegel erkannte er eine Seife, Duschgel und ein verpacktes Shampoo. Keiner da. Er schob den
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