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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau
Autoren: Michal Hvorecky
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Männern wuchs aufgrund ihrer Fettleibigkeit am Brustkorb ein mächtiger Busen, und an den Bäuchen hatten sie riesige Falten. Ein jeder trug zudem einen Fotoapparat um den Hals. Schon am Flughafen hatten sie dauernd Bilder und diverse Filmchen gemacht.
    Beim Einsteigen gab es einen Tumult um die besten Plätze ganz vorn. Die Amerikaner befiel eine groteske Unruhe und Nervosität, sie veränderten sich, wurden zu Brülläffchen, benahmen sich kindisch, mitunter gar euphorisch. Jede Stufe war zu hoch, jede Halteschlaufe zu weit entfernt. Jeden ihrer Schritte begleitete ein kleiner Vortrag, was alles besser sein könnte. Martin hörte nur mit einem halben Ohr hin. Sobald sie alle saßen, stieg auch er ein. Er überprüfte, ob der Chauffeur die Lautstärke der Boxen aufs Maximum gestellt hatte, denn viele der Gäste waren nahezu taub. Er baute sich vorn unter dem Monitor auf.
    »Ich wünsche Ihnen eine gute Anreise, die Fahrt dauert etwa eineinhalb Stunden. Ihr Chauffeur, Heinz, bringt Sie sicher bis nach Regensburg.Ich freue mich auf unser Wiedersehen an Bord. Während der Fahrt können Sie eine Präsentation unseres gesamten Programms anschauen. Auf Wiedersehen!«
    »Bye, bye, Martin! See you soon! Bleib doch hier!«
    Er schaltete die DVD ein und stieg aus dem Bus. In die Halle strömten bereits die nächsten Passagiere.

2. DIE LANDKARTE
    Martin kam erst gegen acht Uhr abends in den Autobus, mit der letzten, dritten Gruppe. Der ganze Tag war überaus stressig verlaufen. Ab und zu gelang es ihm, hektisch einen Kaffee in sich hineinzuschütten, gerade mal gut genug, um später Magengeschwüre zu bekommen, er aß ein Kaloriensandwich mit einem Stück trockenem Käse und einem Salatblatt und schluckte eine Vitaminpille.
    Aus der Pensionistengruppe stach eine schöne Vierzigjährige heraus, die sich als Foxy Davidson vorgestellt hatte. Sie trug ein lilaseidenes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt. Über die hohe Stirn fiel bordeauxrotes Haar. Sie musste noch vor kurzem schwarzes Haar gehabt haben. Auf den Lippen lag ein gewinnendes Lächeln, ihre weißen Zähne blitzten. Sie roch nach einem guten Parfüm und ledernen Flugzeugsitzen.
    Mit Foxy hatte Martin nunmehr 39 Passagiere beisammen, doch es fehlte die letzte Person – Clark Collis. Ob sie ihn so lange bei der Passagierkontrolle aufgehalten hatten? Martin begann langsam nervös zu werden. Was, wenn dem Mann etwas passiert war? Er rief bei der Zentrale der Fluggesellschaft an, doch der Reisende hatte seinen Flug nicht verpasst, er musste sich noch irgendwo in der Halle aufhalten. Die anderen Passagiere traten ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er konnte es ihnen nicht einmal übelnehmen, dass sie sich nach dem Schiff sehnten – er selbst wünschte sich ja sehnlichst dorthin. Er rief noch einmal bei der Zentrale an, doch man wusste keinen Rat. Die Ankunft der Maschine lag nun bereits fünfzig Minuten zurück. Martin hatte viel Zeit gehabt, sich die unterschiedlichsten Gesichter mit Hilfe seiner Liste einzuprägen.
    Endlich zeigte sich Clark Collis. Vier Flughafenmitarbeiter trugenihn auf einem Spezialstuhl für Menschen mit extremen Behinderungen, er thronte dort wie ein afrikanischer König – oder vielmehr wie ein Leichnam auf einer Bahre. Er gab sich jedenfalls majestätisch. Vierzig Augenpaare stierten den Nachkömmling an, dem der Bauch bis zu den Knien hing. Er war 65 Jahre alt, aufgequollene Wangen und Miniaturaugen, die die Welt verdächtig musterten. Er atmete schwer, und seine Gelenke quietschten, vermutlich waren sie ausgetrocknet.
    Die Helfer stellten den Transportstuhl erschöpft am Boden ab. Clark reichte ihm umständlich die Hand, und Martin begrüßte den Gast. Nach einigen Höflichkeitsfloskeln wies er ihn auf eine wichtige Tatsache hin:
    »Werter Herr Collis, ich muss Ihnen mitteilen, dass unsere Reise kürzere und auch längere Märsche beinhaltet. Ich weiß nicht, ob Sie …«
    »Keine Angst, Martin, ich werde dir keine Probleme bereiten. Ich will lediglich in der Kabine sein und die Fahrt auf dem Wasser genießen. Das ist alles. Ich habe nicht vor, irgendwo hinzugehen, ich werde mich nicht von Bord rühren. Du wirst keinerlei Probleme mit mir haben …«
    »So habe ich das nicht gemeint, aber … ich schätze Ihre Einstellung. Ich danke Ihnen.«
    »Die Firma hat mich informiert. Sie sicherten mir zu, dass du Verständnis haben würdest.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass Sie in der Kabine ein nettes Programm haben werden.«
    Dieses
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