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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau
Autoren: Michal Hvorecky
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verinnerlichen, sonst wird dich die Crew nicht akzeptieren. Alles klar, Junge? Verstehst du mich? Wie heißt du überhaupt?«
    Martin stellte sich noch einmal vor.
    »Für einen Kapitän ist es eine Sünde, wenn auch nur die Unterseite des Schiffes, das er befehligt, irgendwo leicht am Grund schrammt. Die Firma würde es wohl nie erfahren, doch der Mensch wird das nicht mehr los, er trägt es für immer mit sich, es ist wie ein Stich mitten ins Herz. Es reicht eine Berührung mit dem Boden oder auch nur ein leichtes Kratzen am Blech, und das gesamte Schiff wird bis ins Mark erschüttert. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe das schon erlebt und erinnere mich daran, manchmal träume ich sogar davon, werde wach und denke darüber nach, ich gehe noch mal alles durch. Du weißt also gar nichts von Schiffen?«
    »Nein, bislang nicht, aber ich will es lernen. Ich habe eigentlich schon damit begonnen. Über die Donau habe ich alles gelesen, was man auftreiben kann.«
    »Das glaubst du nur. Trau den Büchern nicht! Bestimmt denkst du dir, wie belesen du bist. Das kannst du aber alles vergessen. Du wirst von neuem anfangen müssen. Doch ich würde zu gerne wissen, warum so einer wie du auf ein Schiff will? Du wirkst nicht wie die üblichen Kandidaten. Es ist alles ein wenig verdächtig, dein Interesse – nicht? Ich hoffe nicht, dass du von der Polizei gesucht wirst. Hast du was gestohlen? Mit Drogen gedealt? Bist du süchtig? Rück nur raus damit!«
    Martin protestierte.
    »Verzeih, dass ich so hartnäckig bin. Doch wenn ich mich irre, könnte dies schwerwiegende Folgen haben. Nicht nur für dich, sondern für das gesamte Schiff.«
    »Ich sage die Wahrheit«, antwortete Martin.
    Die Festigkeit und Stärke in Atanasius Stimme schüchterte ihn ein, wo er doch noch vor wenigen Augenblicken der Meinung gewesen war, dieser könne sich kaum artikulieren.
    »Und Sie …? Haben Sie eine Ehefrau? Oder Familie?«
    »Seeleute haben keine Ehefrauen, eher noch Witwen. Kinder habe ich, zum Glück, nicht, zumindest weiß ich nichts davon. Und Frauen findest du in jedem Hafen, wenn dich das interessiert.«
    »Warum sind Sie auf der Donau unterwegs?«
    »Um Geld zu verdienen, das ist doch klar. Was denkst du denn? Bist du dir wirklich sicher, dass du auf das Schiff willst?«
    »Ganz sicher!«
    »Also gut, es gilt. Hier hast du, trink aus. Prost! Und von jetzt an per Du!«, schlug der Kapitän vor und reichte ihm ein bis zum Rand gefülltes Glas. Martin trank es auf ex und hatte dabei das Gefühl, dass er alles, was er in dieser Woche an Sicherheitsvorkehrungen gelernt hatte, eben jetzt wieder vergaß.

I. TEIL

 
    »Ab und zu scheint es mir so, dass auf der Donau die Schiffe voller Wahnsinniger ins Unbekannte fahren.«
    Umberto Eco:
Der Name der Rose
     
    »Als ich ins Donauwasser tauchte, spürte ich die Kraft des Stroms und hörte ganz auf dem Grund ein ganz stilles Zischen: die Steinchen und umgeschütteter Sand haben gesungen. Der Klang schwamm zusammen mit mir, immer schneller und rauschhafter, und ich wusste, dass, wenn ich wieder aus dem Fluss rauskomme, ich auf dem anderen Ufer die Stadt sehen werde, weit und strahlend im Sonnenschein.«
    Pavel Vilikovský:
Mein Bratislava
     
    »Die Stadt Pressburg gehörte nicht uns und gehörte genauso wenig den Ungaren. Es ist eine deutsche Stadt. Aber wir haben das Recht drauf, weil der Boden slowakisch ist. Wir brauchen unbedingt die Donau.«
    Tomáš Garrigue Masaryk,
    Präsident der Tschechoslowakei,
    im Dezember 1918

1. QUELLEN
    Schon in der allerersten Nacht auf Reisen hatte er von der Donau geträumt. Das deutsche Städtchen Donaueschingen hatte er einmal besucht. Der Strom entspringt dort als dünnes Rinnsal im Schlosspark der Fürstenbergs, in einem Behältnis aus weißem Marmor, das einer Wiege ähnelt, umsäumt von allerlei Statuen. Das Wasser sprudelt aus einem der Westhänge des Schwarzwalds, stammt zugleich jedoch auch aus den Tiefen der europäischen Geschichte. Der Strom setzt sich aus den Zuflüssen der Bäche Brigach und Breg zusammen und ist an dieser Stelle tatsächlich blau.
    Der Legende nach hatten die erschöpften römischen Soldaten keine Lust mehr gehabt, sich durch finstere Wälder bis zur echten Quelle vorzuarbeiten, die in der Antike ein ähnliches Geheimnis umgeben hatte wie den Ursprung des Nil; kurzum, sie entschieden schließlich, besagten Ort als Quelle festzulegen.
    Die Donau begibt sich von da an in Richtung Osten, durch die Schwäbische Alb, durch allerlei
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