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Am Malanger Fjord

Am Malanger Fjord

Titel: Am Malanger Fjord
Autoren: Theodor Muegge
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Am Malanger Fjord

    Es mögen jetzt wohl fast zwanzig Jahre vorübergegangen sein, seit ein großes Boot von sechs Rudern, mit einer Halbkajüte versehen, an der Küste des norwegischen Hochlandes hinfuhr, das jenseits des großen Westfjords und des Polarkreises, bis nach Tromsöe hinauf ein wildes Labyrinth von Felsen, Inseln, Inselbrocken und zahllosen Sunden und Meeresarmen darstellt, welche tief in den Schoß der Gebirge und Klüfte dringen. Damals konnte man noch nicht wie jetzt mit dem Regierungsdampfschiff rasch und leicht diese wüsten Irrwege durchfahren, erst mehrere Jahre später wurde damit der Anfang gemacht; die einzige Möglichkeit, von einer Handelsstelle der Kaufleute zur anderen zu gelangen, blieb das Ruderboot, mit welchem freilich nur langsam weiterzukommen war.
Es war ein Sommertag, so schön und still, warm und sonnenvoll, als hinge der blaue fleckenlose Himmel über einem südlichen Lande; ein einziger Blick aber reichte hin, um diese Täuschung zu zerstören.
Der Passagier des Bootes, welches er gemietet hatte, um damit nach der Handelsstelle von Lenvig zu gelangen, saß oben auf dem Halbdeck und betrachtete nachsinnend und schweigend den düsteren ungeheuren Kranz zerrissener Felsen und Felsennadeln, die überall aus dem Meere aufwuchsen, spitz und zackig ihre kahlen Häupter in die klare Luft tauchten und ihre Wände und schroffen Seiten im hellen Sonnenlicht glänzen ließen. So weit das Auge reichte, war nichts zu entdecken als dies öde, lautlose Felsengewirr, die hohe Nordlandküste in ihrer schweigenden Wildheit, die Meeresschlünde, welche sich darin verloren, nur da und dort ein grüner Streif, ein weiß leuchtendes Birkengebüsch, eine Felsenspalte, wo schwarze traurige Nadelbäume wuchsen, oder ein kleines Tal, durch das ein Bach in hastigen Sprüngen und Wasserstürzen niederschoß. Auf den Klippen und Steinen, die aus dem blanken stillen Meere ragten, saßen ebenso schweigsame Vögel in dichtgedrängten Haufen. Rotkämmige Alken steckten die Köpfe zusammen, viele andere entenartige Vögel und große Möwen sonnten sich behaglich und ließen das Boot vorüberziehen, ohne sich zu rühren; nur bei einem heftigen Geplätscher der Ruder oder dem lauten Ruf der Bootsleute fuhr ein Schwarm in die Tiefe und verschwand darin ohne Lärm, und Geschrei.
Der Reisende warf sich mißmutig auf die andere Seite und starrte über ein weites Wasserbecken auf die zahllosen Klippen und Brocken zwischen den großen Inseln Hindöe und Senjenöe. Ganz dieselben Felsen, dieselbe Öde, dieselbe wilde Größe der Natur und dasselbe Schweigen traten ihm entgegen. Dann und wann nur, wie von einer unsichtbaren Hand gehoben, brach sich das Meer an irgendeinem Steine und warf eine schäumende Fontäne hoch in die Luft, gleichsam um zu zeigen, daß es träume, aber nicht schlafe.
Der Reisende sah auf die Schaumflocken, welche das Boot umschwammen, er verfolgte die großen rot und blau gezeichneten Quallen, wie sie wunderbar glänzend ihre langen Arme nach Raub ausstreckten; dann lachte er spöttisch vor sich hin, indem er sich selbst mit diesen seltsamen gallertartigen Geschöpfen verglich. Es war ein Mann aus guter Familie, der im Süden des Landes längere Zeit ein einträgliches Amt bekleidete, aber durch mehrere gewaltsame Handlungen und zunehmende Schulden es endlich dahin gebracht hatte, daß er es rätlich fand, als Landrichter oder Sorenskriver, das heißt geschworener Schreiber, hier oben ans äußerste Ende Nordlands, an den Malanger Fjord, versetzt zu werden. Herr Lars Stureson sah ganz so aus wie ein Mann, dem man Paschalaunen zutrauen kann, und seine Verwandten im Staatsrat und im Storthing mochten wohl recht haben, wenn sie glaubten, daß die Leute an den Lappmarkischen Küsten dergleichen besser vertragen könnten als die stolzen Bauern und Hofbesitzer in den südlichen Grafschaften.
Es war ein ungemein großer, kräftiger und breitschultriger Mann in der Mitte der dreißiger Jahre. Sein stolzes hartes Gesicht war rot und voll und trug mancherlei Zeichen, daß er bei Toddy und Punsch alle Nebenbuhler besiegt hatte. Schlaue und bewegliche graublaue Augen milderten die festen massiven Formen seines Kopfes, und im ganzen genommen, war er ein stattlicher Herr, der sowohl Ehrfurcht und Furcht, aber auch Wohlwollen und Achtung erwecken konnte.
Lars Stureson war verheiratet gewesen und nach einer unglücklichen Ehe Witwer geworden. Er machte daher die Reise allein. Das Boot war mit seinen Koffern und
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