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Das Grauen lauert in der Tiefe

Das Grauen lauert in der Tiefe

Titel: Das Grauen lauert in der Tiefe
Autoren: Christian Loeffelbein
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Das Rettungsboot dümpelte wie ein großer, träger Fisch in dem aufziehenden Seenebel, der etwas Gespenstisches und Unheimliches an sich hatte. Langsam und stetig kroch er näher und vertrieb die Wärme des Sommerabends. Schon nach wenigen Minuten waren die anderen Rettungsboote nicht mehr zu erkennen. Nur in der Ferne konnte man noch schwach die brennende »Aurora« erahnen. Aber dann war auch ihr Feuerschein nicht mehr zu sehen. Die Sonne ging unter und das letzte Tageslicht schwand. Es wurde dunkel und kalt.
    Familie Fox befand sich in einer misslichen Lage, obwohl Mr und Mrs Fox das ganz bestimmt nicht so ausgedrückt hätten. Ihr Lebensmotto war: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, und sie hätten sich höchstens zu der Feststellung hinreißen lassen, dass die Evakuierung des Passagierdampfers nicht optimal vonstattengegangen war. Und dass sie es nicht für möglich gehalten hätten, dass es im Jahr 1888 noch derart unbequeme Ruderboote gab.
    Mr Fox war Professor für Altertumsforschung an der New York University, deren Lehrer für ihre schlecht sitzenden Anzüge und ihre unerschütterliche Gemütsruhe bekannt waren. Und Mrs Fox war die Tochter eines schottischen Landgrafen und ließ sich durch überhaupt gar nichts in Aufregung versetzen. Es sei denn, ihre Kinder benahmen sich vorlaut und frech, was allerdings ziemlich häufig der Fall war. Maxwell war zwölf und Mafalda war zehn Jahre alt und beide konnten keine fünf Minuten still sitzen. Sie sahen zwar aus wie Bilderbuchkinder aus Neu England, hatten aber einen äußerst rebellischen Charakter, für den Mrs Fox die französischen Vorfahren ihres Mannes verantwortlich machte.
    »Was ist denn das dort für ein rotes Licht?«, fragte Max und reckte seinen Kopf aus der Schwimmweste.
    »Ein rotes Licht?« Sein Vater kniff angestrengt die Augen zusammen, und auch Mafalda machte einen langen Hals, um besser sehen zu können.
    »Dort hinten.« Max deutete in den Nebel. »Bestimmt ein Fischkutter.« Er begann zu winken.
    »So weit draußen auf dem Meer gibt es keine Fischer«, meinte Mrs Fox. Trotzdem starrte auch sie gebannt in die Richtung, in die ihr Sohn gezeigt hatte.
    »Da ist nichts«, sagte sie schließlich.
    »Doch!« Max runzelte die Stirn, eine Geste, die er sich bei seinem Vater abgeschaut hatte. »Ich habe es genau gesehen.« Er stand auf und wedelte so energisch mit den Armen in der Luft herum, dass das Rettungsboot heftig hin und her schaukelte.
    »Du wirfst uns noch alle über Bord«, sagte sein Vater und rückte seine Brille zurecht.
    Plötzlich tauchte genau dort, wo Maxwell das rote Licht gesehen hatte, ein dunkler Schatten aus dem Nebel auf. Das Gebilde war nur für einen winzigen Moment zu erkennen, dann verloren sich seine Umrisse wieder in dem undurchdringlichen Dunstschleier.
    »Hoppla, was war denn das? « Der Professor kratzte sich ein wenig hilflos am Kinn.
    »Bestimmt ein Fischmonster, das uns fressen will!«, rief Mafalda und klatschte aufgeregt in die Hände.
    »So etwas wie Fischmonster gibt es nicht, Liebes«, sagte Mrs Fox und tätschelte ihrer Tochter beruhigend den Kopf.
    »Jedenfalls leuchten sie nicht rot.« Max biss sich auf die Unterlippe. Er war sich ganz sicher, dass da draußen etwas lauerte.
    »Donnerwetter«, entfuhr es Professor Fox – und auch die Geschwister trauten ihren Augen kaum.
    Völlig lautlos und ohne Vorwarnung war eine große eiserne Kugel direkt vor ihnen im Meer aufgetaucht. Max und Mafalda wechselten ungläubige Blicke.

    Zwei Bullaugen und eine runde Einstiegsluke, die wie bei einem Tresor mit einer nietenbesetzten Tür verschlossen war, wogten nur wenige Meter vor ihrem Rettungsboot im Takt der Wellen auf und ab. Aus den Bullaugen erstrahlte das rote Licht, das Max schon von Weitem gesehen hatte.
    »Was ist denn das für ein komisches Ding?« Max räusperte sich nervös, lehnte sich über die Bordwand des Ruderboots und versuchte, das metallisch glänzende Rad zu fassen zu bekommen, das an der stählernen Luke angebracht war.
    Nun hielt es auch den Professor nicht länger auf seiner Sitzbank und gemeinsam mit seinem Sohn zerrte er an dem Eisenring.
    Nach einigen kräftigen Rucklern setzte sich das Metallrad in Bewegung und kurz darauf schwang die Tür nach innen auf.
    Max fackelte nicht lange. Er warf noch einen letzten Blick über seine Schulter, dann wandte er sich um und kletterte ins Halbdunkel der Kugel hinein.
    »Vorsicht, mein Junge«, brummte Mr Fox vor sich hin, während er seinem Sohn
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