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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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Frieda.
    Frieda hatte noch einen zweiten Bruder, den siebenjährigen Axel. Er war mit Spina bifida zur Welt gekommen, mit offenem Rücken, und musste ständig medizinisch versorgt werden. Deshalblebte Axel in einem speziellen Krankenhaus am Stadtrand von Berlin.
    Mutter war während der Fahrt schweigsam und in sich gekehrt. »Hoffentlich geht das gut«, murmelte sie vor sich hin, als sie schließlich ausstiegen.
    »Natürlich!«, sagte Carla. »Frieda und ich machen uns einen schönen Tag.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Was dann?«
    »Meinen Artikel über Hitler.«
    »Sind wir denn wirklich in Gefahr? Hat Vater recht?«
    »Dein Vater hat meistens recht.«
    »Was kann uns denn passieren, wenn die Nazis böse auf uns sind?«
    Mutter blickte sie seltsam an. Nach längerem Schweigen sagte sie: »Mein Gott, in was für eine Welt habe ich dich hineingeboren!«
    Nach zehn Minuten Fußmarsch erreichten Mutter und Tochter eine prächtige Villa mit großem Garten. Die Francks waren reich. Ludwig, Friedas Vater, besaß eine Fabrik, in der Radiogeräte hergestellt wurden. Zwei Autos standen in der Einfahrt. Die große, schwarz glänzende Limousine gehörte Herrn Franck. Der Motor lief, und eine blaue Abgaswolke quoll aus dem Auspuff. Ritter, der Chauffeur, hatte sich die Uniformhose in seine hohen Stiefel gesteckt, hielt die Mütze in der Hand und wartete darauf, seinem Herrn die Autotür zu öffnen. Als Maud und Carla an ihm vorbeigingen, verneigte er sich und sagte: »Guten Morgen, Frau von Ulrich.«
    Der zweite Wagen war ein kleiner grüner Zweisitzer. Ein schmächtiger Mann mit grauem Bart kam aus dem Haus. Er trug eine Lederaktentasche in der Hand, blickte Maud an und legte den Finger an die Hutkrempe, ehe er in den Zweisitzer stieg.
    »Was macht Dr. Rothmann so früh am Morgen hier?«, murmelte Maud besorgt.
    Sie fanden es bald heraus. Monika, Friedas Mutter, kam an die Tür. Sie war eine große Frau mit dichtem rotem Haar. Ihr Gesicht war kreidebleich vor Sorge. Anstatt die Besucher ins Haus zu bitten, blieb sie in der Tür stehen, als wollte sie ihnen den Weg versperren. »Frieda hat die Masern«, sagte sie.
    »Oh, das tut mir leid!«, erwiderte Maud. »Wie geht es ihr?«
    »Sie hustet und hat Fieber. Aber Dr. Rothmann sagt, sie wird bald wieder gesund. Nur darf keiner zu ihr, wegen der Ansteckungsgefahr.«
    »Hast du die Masern denn schon gehabt?«, fragte Maud.
    »Ja, als kleines Mädchen. Und Werner hatte sie auch schon. Ich kann mich noch gut an den furchtbaren Ausschlag erinnern.«
    »Was ist mit deinem Mann?«
    »Ludi hatte sie als Kind.«
    Die beiden Frauen schauten Carla an. Enttäuscht erwiderte sie deren Blicke. Carla hatte die Masern noch nicht gehabt, was bedeutete, dass sie den Tag nicht mit Frieda würde verbringen können.
    Maud war entsetzt. »Ausgerechnet jetzt! Diese Woche bringen wir die Sonderausgabe zur Wahl heraus. Ich muss in die Redaktion.« Die Wahlen am nächsten Sonntag waren entscheidend für die Zukunft Deutschlands. Maud und Walter befürchteten, die Nazis könnten genug Stimmen erhalten, um die Regierung zu übernehmen. »Außerdem besucht mich meine älteste Freundin aus London. Ob ich Walter wohl überreden kann, sich einen Tag freizunehmen und sich um Carla zu kümmern?«
    »Ruf ihn an«, schlug Monika vor. »Wozu haben wir ein eigenes Telefon?«
    Maud und Carla betraten den Eingangsbereich der Villa. Das Telefon stand auf einem kleinen, dünnbeinigen Tisch neben der Tür. Maud wählte die Nummer von Walters Büro im Reichstag, wurde zu ihm durchgestellt und schilderte ihm die Situation. Dann lauschte sie in den Hörer, wobei ihre Miene immer wütender wurde. »Meine Zeitung wird an ihre hunderttausend Leser appellieren, die Sozialdemokraten zu wählen«, sagte sie schließlich gereizt. »Kannst du dich da nicht ein Mal um Carla kümmern?«
    Carla konnte sich denken, wie die Diskussion endete. Ihr Vater liebte sie, aber in den elf Jahren ihres Lebens hatte er sich noch nie einen ganzen Tag lang um sie gekümmert. Aber das kannte Carla auch von den Vätern ihrer Freundinnen. Offenbar war es für Männer unter ihrer Würde, einen Tag für die eigene Tochter zu opfern.
    »Dann nehme ich Carla eben mit ins Büro«, sagte Maud. »Aber ich will gar nicht erst daran denken, was Jochmann sagen wird.«Herr Jochmann war ihr Chef. »Man kann ihn nicht gerade als Frauenrechtler bezeichnen.« Ohne ein Abschiedswort legte sie auf.
    Carla seufzte. Das war jetzt schon das zweite Mal an diesem
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