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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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Tag, dass ihre Eltern sich stritten.
    »Komm«, sagte Maud zu ihr und ging zur Tür.
    Jetzt werde ich Werner doch nicht zu Gesicht bekommen, dachte Carla unglücklich.
    In diesem Augenblick erschien Herr Franck im Flur, ein Mann mit frischem Gesicht und einem kleinen schwarzen Schnurrbart. Er war fröhlich und voller Energie. Freundlich begrüßte er Maud. Sie blieb kurz stehen, um mit ihm zu plaudern, während Monika ihm in seinen schwarzen Mantel mit dem Pelzkragen half. Dann setzte er sich eine graue Fellkappe auf und stieg die Eingangstreppe hinunter. »Werner!«, rief er über die Schulter. »Wenn du nicht sofort kommst, fahre ich ohne dich!«
    »Bin schon da!« Werner kam die Treppe hinuntergerannt. Er war so groß wie sein Vater, sah mit seinem viel zu langen rotblonden Haar aber besser aus. Er hatte sich einen Lederranzen unter den Arm geklemmt, der voller Bücher zu sein schien. In der anderen Hand hielt er Schlittschuhe und einen Hockeyschläger. Kurz blieb er stehen und sagte höflich: »Guten Morgen, Frau von Ulrich.« Dann fügte er weniger förmlich hinzu: »Hallo, Carla. Meine Schwester hat die Masern.«
    Carla spürte, wie sie ohne jeden Grund errötete. Sie wollte etwas Geistreiches oder Lustiges erwidern, doch ihr fiel nichts ein. Deshalb sagte sie bloß: »Ich weiß. Deshalb darf ich nicht zu ihr.«
    »Tja, dann …«, sagte Werner. »Tut mir leid, ich muss mich beeilen. Wiedersehn.«
    Doch Carla wollte ihren Schwarm nicht so schnell aus den Augen verlieren und folgte ihm aus dem Haus. Ritter öffnete Walter die Tür zum Fond des Wagens.
    »Was für ein Auto ist das?«, fragte Carla. Jungs wussten immer alles über Autos.
    »Ein Mercedes-Benz W 10.«
    »Er sieht unbequem aus.« Carla bemerkte, dass ihre Mutter sie amüsiert beobachtete.
    Werner fragte: »Sollen wir euch mitnehmen?«
    »Das wäre ganz toll!«
    »Ich frage meinen Vater.« Werner steckte den Kopf ins Wageninnere und sagte irgendetwas.
    Carla hörte Herrn Franck antworten: »Also gut, aber beeilt euch.«
    Sie drehte sich zu Maud um. »Wir können mitfahren!«
    Maud zögerte einen Augenblick. Sie mochte Herrn Francks politische Einstellung nicht – er unterstützte die Nazis –, aber an so einem kalten Morgen wollte sie die Fahrt in einem warmen Auto nicht ablehnen. Sie kam zum Wagen und sagte zu Franck: »Sehr freundlich von dir, Ludwig.«
    Mutter und Tochter setzten sich in den Fond, wo Platz für vier Personen war. Ritter fuhr los.
    »Ich nehme an, ihr wollt in die Kochstraße, oder?«, fragte Franck. Die Kochstraße lag in Kreuzberg, wo viele Zeitungen und Verlage ihre Büros hatten.
    »Du musst für uns keinen Umweg machen«, sagte Maud. »Bis zur Leipziger Straße reicht.«
    »Ich würde euch ja gerne bis vors Büro fahren, aber du willst bestimmt nicht, dass deine linken Kollegen sehen, wie du aus dem Auto eines fetten Plutokraten steigst«, sagte Franck in einer Mischung aus Belustigung und Feindseligkeit.
    Maud schenkte ihm ein charmantes Lächeln. »Du bist nicht fett, Ludi, nur ein bisschen füllig.« Sie tätschelte seinen Bauch.
    Er lachte. »Das habe ich mir jetzt wohl selbst zu verdanken.« Die Spannung löste sich. Franck griff nach dem Sprachrohr und erteilte Ritter Anweisungen.
    Carla genoss es, mit Werner im Auto zu sitzen. Am liebsten hätte sie ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, ein kluges Mädchen mit dunklem Haar und grünen Augen zu heiraten. Schließlich aber deutete sie auf seine Schlittschuhe und beschränkte sich auf die Frage: »Hast du heute ein Spiel?«
    »Nein, nur Training nach der Schule.«
    »Auf welcher Position spielst du?« Carla verstand nichts von Eishockey, aber bei Mannschaftssportarten gab es immer Positionen.
    »Auf dem rechten Flügel.«
    »Ist Eishockey gefährlich?«
    »Nicht, wenn man schnell ist.«
    »Du musst ein toller Schlittschuhläufer sein.«
    »Geht so«, sagte Walter bescheiden.
    Wieder bemerkte Carla, wie Maud sie mit diesem rätselhaften kleinen Lächeln beobachtete. Hatte Mutter erraten, was sie für Werner empfand? Carla spürte, wie sie errötete.
    Der Wagen hielt vor einer Schule, und Werner stieg aus. »Wiedersehen, ihr alle!«, rief er und lief durch das Tor auf den Hof.
    Ritter fuhr weiter am Südufer des Landwehrkanals entlang. Carla schaute auf die Barken, die mit schneebedeckter Kohle über den Kanal tuckerten. Irgendwie war sie enttäuscht und ärgerte sich über sich selbst. Die knappe Zeit, die ihr mit Werner vergönnt gewesen war, hatte sie mit
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