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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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mit Bedauern darüber sprach. Vielleicht war das die richtige Einstellung. Daisy dachte an ihre eigenen Fehler: sich mit Charlie Farquharson zu verloben, Lloyd abzuweisen, Boy Fitzherbert zu heiraten. Es widerstrebte ihr ein wenig, rückblickend an das Gute zu denken, das aus diesen Entscheidungen erwachsen war.
    Erst nachdem die High Society sie einmütig abgelehnt und sie in Ethels Küche Geborgenheit gefunden hatte, war ihr Leben besser geworden. Sie hatte aufgehört, sich nach gesellschaftlicher Anerkennung zu sehnen, und echte Freundschaft erfahren, und seitdem war sie glücklich.
    Und jetzt, wo ihr die anderen Gäste egal sein konnten, genoss sie Partys umso mehr.
    »Fertig?«, fragte Lloyd.
    Ja, Daisy war fertig. Sie zog den Mantel über, den Dior passend zum Abendkleid geschneidert hatte. Dann fuhren sie mit dem Fahrstuhl nach unten, verließen das Hotel und stiegen in die wartende Limousine.

    Carla überredete ihre Mutter, an Heiligabend Klavier zu spielen.
    Maud hatte seit Jahren nicht mehr gespielt. Vielleicht weckte es traurige Erinnerungen an Walter bei ihr: Sie hatten stets zusammen gespielt und gesungen, und Maud hatte den Kindern oft erzählt, wie sie versucht hatte, Walter Ragtime beizubringen – und wie sie damit gescheitert war.
    Doch diese Geschichte erzählte Maud nicht mehr. Carla nahm an, dass der Flügel sie dieser Tage vor allem an Joachim Koch erinnerte, den jungen Offizier, der Klavierstunden bei ihr genommenund den sie getäuscht und verführt hatte und der dann von Carla und Ada in der Küche totgeschlagen worden war.
    Was Carla betraf, konnte sie die Erinnerung an diesen albtraumhaften Abend einfach nicht verdrängen, besonders nicht die Erinnerung daran, wie sie Joachim Kochs Leiche beseitigt hatten. Sie bereute es zwar nicht – sie hatten das Richtige getan –, aber trotzdem hätte sie es lieber vergessen.
    Schließlich erklärte Maud sich doch bereit, Stille Nacht zu spielen, damit alle mitsingen konnten. Werner, Ada, Erik und die drei Kinder, Rebecca, Walter und das neue Baby Lili versammelten sich um den alten Steinway im Salon. Carla stellte eine Kerze aufs Klavier und betrachtete die Gesichter ihrer Familie in den flackernden Schatten.
    Klein-Walter, den Werner auf dem Arm trug, wurde in ein paar Wochen vier Jahre alt, und versuchte fleißig mitzusingen. Er hatte die asiatischen Augen seines Vaters, des Vergewaltigers aus dem Fernen Osten. Carla hatte beschlossen, sich an diesem Unbekannten zu rächen, indem sie seinen Sohn zu einem Mann erzog, der Frauen mit Zärtlichkeit und Achtung behandelte.
    Erik sang das Lied mit feierlichem Ernst. Er unterstützte das Sowjetregime genauso blind, wie er einst die Nazis unterstützt hatte. Carla war anfangs verwirrt und wütend darüber gewesen; inzwischen aber hatte sie erkannt, dass diesem Verhalten eine traurige Logik zugrunde lag: Erik gehörte zu den Menschen, die so viel Angst vor dem Leben hatten, dass sie es vorzogen, unter einem autoritären Regime zu leben. Sie brauchten jemanden, der ihnen sagte, was sie tun oder denken sollten. Diese Menschen waren dumm und gefährlich, und es gab schrecklich viele von ihnen.
    Liebevoll schaute Carla zu ihrem Mann, der mit seinen dreißig Jahren noch immer umwerfend gut aussah. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich in seinem Auto geküsst und gestreichelt hatten, damals im Grunewald, als sie neunzehn gewesen war. Und sie liebte es noch immer, ihn zu küssen.
    Wenn Carla an die Zeit zurückdachte, die seitdem verstrichen war, gab es tausend Dinge, die sie bedauerte, doch das Schlimmste war der Tod ihres Vaters. Sie vermisste ihn ständig, und sie weinte noch immer, wenn sie daran dachte, wie er brutal misshandelt und blutend im Flur gelegen hatte.
    Doch jeder Mensch musste irgendwann sterben, und Vater hatte sein Leben im Kampf für eine bessere Welt gegeben. Hätten mehr Deutsche seinen Mut besessen, hätten die Nazis niemals triumphiert.
    Carla wollte alles genauso machen wie er: Sie wollte ihre Kinder gut erziehen und an der Politik ihres Landes mitwirken; sie wollte lieben und geliebt werden. Vor allem aber sollten ihre Kinder nach ihrem Tod sagen können, ihr Leben habe eine Bedeutung gehabt und dass sie dazu beigetragen habe, die Welt zu einem besseren Ort zu machen … genauso wie sie es von ihrem Vater sagen konnte.
    Das Lied endete. Maud spielte den letzten Akkord, und Klein-Walter beugte sich vor und blies die Kerze aus.
    ENDE

D ANKSAGUNGEN
    Mein wichtigster Ratgeber, was den
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