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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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vorbei. Wolodja Peschkow befand sich auf dem Ustjurt-Plateau, östlich des Kaspischen Meeres in Kasachstan. Es war eine mit Geröll übersäte Wüste, tief im Süden der UdSSR , wo die Nomaden ihre Ziegen noch immer wie vor Jahrtausenden hüteten. Wolodja saß in einem Armeelaster, der über eine Sandpiste rumpelte. Das erste Licht der Morgendämmerung fiel auf die öde Landschaft. Neben der Straße stand ein dürres Kamel und starrte dem Lkw missmutig hinterher.
    In der Ferne sah Wolodja den Bombenturm, der von mehreren Scheinwerferbatterien angestrahlt wurde.
    Zoja und die anderen Wissenschaftler hatten ihre erste Atombombe nach den Plänen konstruiert, die Wolodja in Santa Fe von Willi Frunze bekommen hatte. Es war eine Plutoniumbombe mit Implosionszünder. Es gab zwar noch andere Entwürfe, doch dieser hatte bereits zweimal funktioniert, einmal in der Wüste von New Mexico und dann in Nagasaki.
    Also sollte es auch heute klappen.
    Der Test trug den Codenamen RDS -1, doch sie nannten ihn nur »Erster Blitz«.
    Wolodjas Lkw hielt am Fuß des Turmes. Er schaute hinauf und sah die Wissenschaftler an dem Kabelgewirr arbeiten, das die Außenhaut der Bombe umgab. Eine Gestalt in blauem Overall trat einen Schritt aus der Gruppe heraus und schüttelte ihr blondes Haar: Zoja. Wolodja war stolz. Meine Frau, dachte er. Spitzenwissenschaftlerin und zweifache Mutter.
    Zoja besprach sich mit zwei Männern. Aufgeregt redeten sie miteinander. Hoffentlich ist alles in Ordnung, ging es Wolodja durch den Kopf.
    Das hier war die Bombe, die Stalin retten sollte.
    Alles andere war schlecht für die Sowjets gelaufen. Westeuropa war endgültig demokratisch geworden, hatte sich mit dem Marshallplan bestechen lassen, und die sowjetischen Drohgebärden hatten keinerlei Wirkung mehr gezeigt. Tatsächlich war es der UdSSR noch nicht einmal gelungen, Berlin wieder vollständig unter Kontrolle zu bekommen. Nachdem die Luftbrücke fast ein Jahr lang standgehalten hatte, hatten die Sowjets die Waffen gestreckt und die Straßen und Eisenbahnlinien wieder freigegeben.
    In Osteuropa wiederum hatte Stalin seine Herrschaft nur durch brutale Gewalt aufrechterhalten können. Truman war als US -Präsident wiedergewählt worden und betrachtete sich als Führer der Welt. Und die Amerikaner bauten immer mehr Atombomben. Sie hatten B-29-Bomber in Großbritannien stationiert, die jederzeit die Sowjetunion in eine nukleare Wüste verwandeln konnten.
    Doch heute würde sich alles ändern.
    Wenn die Bombe nach Plan explodierte, würden die UdSSR und die USA wieder auf einer Stufe stehen. Und wenn die Sowjetunion den Vereinigten Staaten mit einem nuklearen Gegenschlag drohen konnte, war es mit der weltweiten amerikanischen Dominanz vorbei.
    Wolodja wusste nicht mehr, ob das gut war oder schlecht.
    Explodierte die Bombe nicht, würde man ihn und Zoja vermutlich in ein Arbeitslager schicken oder an Ort und Stelle erschießen. Er hatte bereits mit seinen Eltern darüber geredet, und sie hatten ihm versprochen, sich im Fall der Fälle um Kotja und Galina zu kümmern.
    Im heller werdenden Licht sah Wolodja in unterschiedlicher Entfernung zum Turm eine seltsame Ansammlung von Gebäuden: Häuser aus Ziegeln und aus Holz; eine Brücke, die über nichts führte, und den Eingang zu irgendeiner unterirdischen Anlage. Wahrscheinlich wollte die Armee auf diese Weise die Wirkung der Detonation erproben.
    Auch an Lebewesen sollte die Explosion getestet werden. Da waren Pferde, Rinder, Schafe und Hunde.
    Die Diskussion auf der Turmplattform endete offenbar mit einer Entscheidung. Die drei Wissenschaftler nickten und machten sich wieder an die Arbeit.
    Ein paar Minuten später kam Zoja herunter und begrüßte ihn.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Wir glauben schon«, antwortete Zoja.
    »Ihr glaubt?«
    Zoja zuckte mit den Schultern. »Wir haben so etwas noch nie gemacht.«
    Sie stiegen in den Lkw und fuhren durch die Wüste zum Kontrollbunker.
    Die anderen Wissenschaftler waren unmittelbar hinter ihnen.
    Im Bunker setzten sie Schutzbrillen auf, wie Schweißer sie benutzten.
    Der Countdown lief.
    Bei sechzig Sekunden nahm Wolodja Zojas Hand.
    Bei zehn Sekunden lächelte er sie an und sagte: »Ich liebe dich.«
    Bei einer Sekunde hielt er die Luft an.
    Dann war es, als strahlten tausend Sonnen auf einmal auf. Ein unirdisches, gleißendes Licht überflutete die Wüste. In Richtung des Bombenturms wuchs ein Feuerball unfassbar hoch in den Himmel und schien nach dem Mond zu
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