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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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niedergeschrien, doch die sechsundzwanzig kommunistischen Stadtverordneten erkannten die Gefahr: Sollte der Magistrat heute außerhalb des sowjetischen Sektors zusammenkommen, konnte dies zur Gewohnheit werden, und dann wäre es vorbei mit den kommunistischen Einschüchterungsversuchen. Nach kurzer Diskussion stand einer von ihnen auf und befahl den Demonstranten zu gehen. In Reih und Glied marschierten sie hinaus und sangen dabei die Internationale .
    »Jetzt ist wohl endgültig klar, unter wessen Befehl wir stehen«, bemerkte Heinrich.
    Schließlich kehrte Ruhe ein. Louise Schroeder legte die sowjetische Forderung dar und erklärte, die Ostmark habe außerhalb des sowjetischen Sektors keinen Wert, solange die anderen Alliierten dem nicht zustimmten.
    Ein kommunistischer Stadtverordneter hielt eine flammende Rede, in der er Frau Schroeder vorwarf, sie bekäme ihre Befehle direkt aus Washington.
    Vorwürfe und Beleidigungen flogen hin und her, doch endlich kam es zur Abstimmung. Die Kommunisten unterstützten geschlossen den sowjetischen Erlass, nachdem sie den anderen vorgeworfen hatten, sich von äußeren Mächten steuern zu lassen. Doch alle anderen stimmten dagegen, und damit war der Antrag abgelehnt. Berlin hatte sich nicht einschüchtern lassen. Carla war müde, aber stolz.
    Doch es war noch nicht vorbei.
    Als sie das Gebäude verließen, war es bereits sieben Uhr abends. Der Mob hatte sich größtenteils aufgelöst, doch am Eingang lungerten noch ein paar Schlägertypen herum. Eine ältere Stadtverordnete wurde getreten und geschlagen, als sie aus dem Gebäude kam. Die Polizei schaute gleichgültig zu.
    Carla und Heinrich verließen das Neue Stadthaus mit ein paar Freunden durch einen Nebeneingang in der Hoffnung, unbemerkt verschwinden zu können, doch ein Kommunist auf einem Fahrrad beobachtete sie. Sofort radelte er los.
    Als die Stadtverordneten die Flucht ergriffen, kehrte der Mann an der Spitze einer kleinen Bande wieder zurück. Jemand stellte Carla ein Bein, und sie stürzte zu Boden. Die Angreifer traten auf sie ein. Verzweifelt versuchte sie, ihren Leib mit den Händen zu schützen. Sie war jetzt bald im dritten Monat, und da kam es zu den meisten Fehlgeburten; das wusste sie.
    Wird Werners Baby sterben, fragte sie sich voller Panik. Auf der Straße von kommunistischen Schlägern zu Tode getreten?
    Dann endlich ließen die Kerle von ihnen ab.
    Carla und die anderen rappelten sich auf. Niemand war ernsthaft verletzt. Gemeinsam eilten sie davon, noch immer voller Angst, doch die Kommunisten schienen für heute zufrieden zu sein.
    Um acht Uhr kam Carla nach Hause. Von Erik war nichts zu sehen.
    Werner war entsetzt, als er Carlas blaue Flecken und das zerrissene Kleid sah. »Was ist passiert?«, fragte er erschrocken. »Bist du verletzt?«
    Sie brach in Tränen aus.
    »Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?«
    Carla schüttelte den Kopf. »Mir ist nichts passiert«, sagte sie. »Das sind nur ein paar Kratzer. Ich habe schon Schlimmeres erlebt.« Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Gott, bin ich müde.«
    »Wer hat das getan?«, fragte Werner wutentbrannt.
    »Die, die es immer tun«, antwortete Carla. »Jetzt nennen sie sich zwar Kommunisten und nicht mehr Nazis, aber es sind dieselben. Es ist genau wie 1933.«
    Werner schloss sie in die Arme.
    »Diese Schläger und Banditen sind nun schon so lange an der Macht«, sagte Carla, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Hört das denn nie auf?«

    An diesem Abend gab die Nachrichtenagentur der sowjetischen Besatzungszone bekannt, von sechs Uhr morgens an werde sämtlicher Personen- und Güterverkehr von und nach Westberlin – Züge, Kraftfahrzeuge und Kanalschiffe – unterbunden. Keine Versorgungsgüter gleich welcher Art würden durchgelassen: keine Lebensmittel, keine Milch, keine Medikamente, keine Kohle. Die Fernstromversorgung werde abgestellt – aber nur für die westlichen Sektoren.
    Die Stadt war im Belagerungszustand.
    Lloyd Williams befand sich in der Kommandantur des britischen Sektors. Das Unterhaus machte für kurze Zeit Ferien, und Ernie Bevin war nach Sandbanks an der Südküste Englands in Urlaub gefahren; doch er war besorgt genug gewesen, um Lloyd nach Berlin zu schicken, damit er die Einführung der neuen Währung überwachte und ihn auf dem Laufenden hielt.
    Daisy hatte Lloyd nicht begleitet. Ihr kleiner Sohn Davey war erst sechs Monate alt; außerdem richteten Daisy und Eva Murray eine Empfängnisverhütungspraxis in Hoxton
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