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Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen

Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen

Titel: Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
Autoren: Stephenie Meyer
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A uf den ersten Blick
    Meine Mutter fuhr mich mit heruntergelassenen Scheiben zum Flughafen. Es war warm in Phoenix, 24 Grad, und über uns spannte sich ein makellos blauer, wolkenloser Himmel. Ich hatte meine Lieblingsbluse an, ärmellos, mit weißer Lochspitze – es war eine Art Abschiedsgeste. Mein Handgepäck bestand aus einem Parka.
    Auf der Halbinsel Olympic im Nordwesten von Washington State liegt unter einer selten aufreißenden Wolkendecke eine bedeutungslose, kleine Stadt namens Forks. In ihr regnet es mehr als in jedem anderen Ort der Vereinigten Staaten von Amerika. Von dort – fort aus dem ewig trüben Dämmerlicht – floh meine Mutter mit mir, als ich gerade mal ein paar Monate alt war. Dort hatte ich Jahr für Jahr einen Monat meiner Sommerferien verbringen müssen, bis ich vierzehn wurde – dann setzte ich mich endlich durch, und in den vergangenen drei Jahren machte Charlie, mein Vater, stattdessen zwei Wochen Urlaub in Kalifornien mit mir.
    Dorthin, nach Forks, ging ich jetzt ins Exil, und zwar mit Schrecken. Ich hasste Forks.
    Und ich liebte Phoenix. Ich liebte die Sonne und die glühende Hitze. Ich liebte die betriebsame, schier endlos wuchernde Stadt.
    »Bella«, sagte meine Mom, bevor ich durch die Absperrung ging, zum hundertsten und letzten Mal – »du musst nicht, wenn du nicht willst.«
    Meine Mom sieht genauso aus wie ich, nur mit kurzen Haaren und Lachfalten. Ich spürte, wie mich die Panik durchzuckte, als ich in ihre großen, kindlichen Augen schaute. Meine liebevolle, unberechenbare, durchgeknallte Mutter – wie konnte ich sie nur sich selbst überlassen? Klar, sie hatte jetzt Phil, also würden die Rechnungen wohl bezahlt werden, es würde was zu essen im Kühlschrank sein und Benzin im Tank. Und es gab jemanden, den sie anrufen konnte, wenn sie sich verirrte. Trotzdem …
    »Ich will aber«, beteuerte ich. Ich war immer eine miserable Lügnerin gewesen, doch diesen Satz hatte ich in letzter Zeit so häufig wiederholt, dass er mittlerweile beinahe überzeugend klang.
    »Grüß Charlie von mir«, sagte sie resignierend.
    »Mach ich«, antwortete ich.
    »Wir sehen uns bald«, beteuerte sie. »Du kannst immer nach Hause kommen – ich bin hier, wenn du mich brauchst.«
    Aber in ihren Augen konnte ich sehen, welches Opfer sie dieses Versprechen kostete.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich bestimmt. »Das wird super. Ich liebe dich, Mom.«
    Sie hielt mich eine Weile fest umarmt, dann ging ich weg und sie war verschwunden.
    Der Flug von Phoenix nach Seattle dauert vier Stunden, dann geht es noch mal eine Stunde in einem kleinen Flugzeug hoch nach Port Angeles, und eine weitere Stunde mit dem Auto runter nach Forks. Das Fliegen machte mir nichts aus, aber vor der Fahrt mit Charlie hatte ich ein bisschen Bammel.
    Charlie hatte ziemlich gut reagiert auf die ganze Geschichte. Er schien sich wirklich zu freuen, dass ich zum ersten Mal halbwegs langfristig bei ihm wohnen würde, hatte mich schon in der Schule angemeldet und wollte mir dabei behilflich sein, ein Auto zu finden.
    Das Problem war, dass es nicht viel gab, worüber wir reden konnten; wir waren beide keine großen Plaudertaschen. Ich wusste, dass ihn meine Entscheidung enorm verwirrte – wie meine Mutter hatte ich nie einen Hehl aus meiner Abneigung gegen Forks gemacht.
    Bei der Landung in Port Angeles regnete es. Ich nahm es nicht als ein böses Omen, sondern schlicht als unvermeidlich. Von der Sonne hatte ich mich bereits verabschiedet.
    Charlie kam mich mit dem Streifenwagen abholen. Auch damit hatte ich gerechnet. Die braven Bürger von Forks kennen Charlie nämlich als Chief Swan, den örtlichen Hüter des Gesetzes. Deswegen wollte ich unbedingt mein eigenes Auto, obwohl ich knapp bei Kasse war: Ich hatte keine Lust, in einem Wagen mit roten und blauen Lichtern auf dem Dach durch die Stadt chauffiert zu werden. Nichts hält den Verkehr so sehr auf wie ein Polizist.
    Ich stolperte aus dem Flugzeug, und Charlie drückte mich unbeholfen mit einem Arm an sich.
    »Schön, dich zu sehen, Bells«, sagte er lächelnd, während er mich mit einer automatischen Bewegung auffing und stützte. »Du hast dich kaum verändert. Wie geht’s Renée?«
    »Mom geht’s gut. Ich freu mich auch, dich zu sehen, Dad.« Er wollte nicht, dass ich ihn Charlie nenne.
    Und damit war unser Gespräch auch schon fast wieder beendet. Ich hatte nur ein paar Taschen dabei. Die meisten meiner Arizona-Klamotten waren untauglich für Washington –
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