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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Autoren: Ken Follett
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zu allen Wissenschaftlern, die Zugang zu den Plänen hatten.«
    »Und was soll ich jetzt für Sie tun?«
    »Gehen Sie die Akten durch.«
    »Ist das nicht Ihr Job?«
    »Wir sind sie schon durchgegangen, haben aber nichts gefunden. Jetzt hoffen wir, dass Sie etwas entdecken, was wir übersehen haben. Ich bleibe hier sitzen und leiste Ihnen Gesellschaft. Ich habe Papierkram zu erledigen.«
    »Das ist eine Menge Arbeit.«
    »Sie haben den ganzen Tag Zeit.«
    Greg runzelte die Stirn. Wussten sie etwa …?
    Bicks sagte im Brustton der Überzeugung: »Sie haben für den Rest des Tages nichts anderes vor.«
    Greg zuckte die Achseln. »Gibt es Kaffee?«
    Er bekam Kaffee und Donuts, dann noch mehr Kaffee, zu Mittag ein Sandwich, am Nachmittag eine Banane. Er las jedes bekannte Detail über die Lebensläufe der Wissenschaftler, ihrer Frauen und Familien: Kindheit, Ausbildung, Laufbahn, Liebe, Heirat, Leistungen, Schrullen, Laster.
    Er hatte das letzte Stück Banane im Mund, als er sagte: »Da soll mich doch der Teufel holen.«
    »Was ist?«, fragte Bicks.
    »Willi Frunze hat das Leopold-von-Ranke-Gymnasium in Berlin besucht.« Triumphierend knallte Greg den Hefter auf den Tisch.
    »Na und?«
    »Wolodja war auch auf dieser Schule. Er hat es mir gesagt.«
    Bicks knallte die flache Hand auf die Tischplatte. »Schulfreunde! Das ist es! Wir haben den Mistkerl!«
    »Das ist kein Beweis«, wandte Greg ein.
    »Oh, keine Sorge, der gesteht schon.«
    »Wie können Sie so sicher sein?«
    »Diese Wissenschaftler glauben, dass Wissen mit jedem geteilt und nicht geheim gehalten werden sollte. Er wird sich darauf berufen, er hätte zum Besten der Menschheit gehandelt.«
    »Vielleicht hat er das ja.«
    »Trotzdem geht er dafür auf den elektrischen Stuhl.«
    Greg überlief eine Gänsehaut. Willi Frunze war ihm wie ein netter Kerl vorgekommen. »Wirklich?«
    »Darauf können Sie wetten. Der wird schmoren.«
    Bicks behielt recht. Wilhelm Frunze wurde des Landesverratsfür schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Er starb auf dem elektrischen Stuhl.
    Seine Frau ebenfalls.

    Daisy schaute ihrem Mann zu, wie er sich die weiße Fliege band und in den Frack seines maßgeschneiderten Abendanzugs glitt. »Du siehst aus wie eine Million Dollar auf zwei Beinen«, sagte sie und meinte es ernst. Er hätte ein Filmstar werden sollen.
    Daisy erinnerte sich an den jungen Lloyd vor dreizehn Jahren, als er auf dem Trinity Ball geborgte Kleidung getragen hatte. Ein angenehmer Schauder der Nostalgie durchrieselte sie. Er hatte damals ziemlich gut ausgesehen, auch wenn ihm der Anzug zwei Nummern zu groß gewesen war.
    Nun wohnten sie in der dauerhaft angemieteten Suite ihres Vaters im Washingtoner Hotel Ritz-Carlton. Lloyd war mittlerweile Staatssekretär im britischen Außenministerium und auf einem diplomatischen Besuch in der US -Hauptstadt. Lloyds Eltern waren begeistert, sich eine Woche lang um die beiden Enkelkinder kümmern zu dürfen.
    Heute Abend gingen Daisy und Lloyd zu einem Ball ins Weiße Haus.
    Daisy trug ein todschickes Kleid von Christian Dior aus rosarotem Satin mit einem atemberaubenden ausladenden Rock aus unendlich vielen Tüllfalten. Nach Jahren kriegsbedingter Sparsamkeit war sie froh, endlich wieder Kleider in Paris kaufen zu können.
    Sie dachte an den Yacht Club Ball von 1935 in Buffalo zurück, dem Ereignis, von dem sie damals geglaubt hatte, es hätte ihr Leben ruiniert. Ein Ball im Weißen Haus war vermutlich sehr viel prestigeträchtiger, aber an diesem Abend konnte nichts geschehen, was ihr Leben in Trümmer legte.
    Daisy war in Erinnerungen versunken, als Lloyd ihr half, die Kette ihrer Mutter aus roséfarbenen Brillanten und die dazu passenden Ohrringe anzulegen. Als Neunzehnjährige hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als von der besseren Gesellschaft akzeptiert zu werden. Heute war es für sie kaum noch vorstellbar, sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen. Solange Lloyd ihr sagte,sie sehe fabelhaft aus, interessierte sie nicht, was andere dachten. Der einzige Mensch, dessen Anerkennung sie noch suchte, war Eth Leckwith, ihre Schwiegermutter, die keinen Wert auf Prestige legte und mit Sicherheit noch nie ein Kleid aus Paris getragen hatte.
    Blickte jede Frau irgendwann einmal zurück und überlegte sich, wie dumm sie als junger Mensch gewesen war? Daisy musste wieder an Ethel denken, die auf jeden Fall etwas Dummes getan hatte – nämlich, sich von ihrem verheirateten Dienstherrn schwängern zu lassen –, aber nie
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