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Dem Feuer zu nah

Dem Feuer zu nah

Titel: Dem Feuer zu nah
Autoren: Nora Roberts
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PROLOG
    D ie Wälder hallten wider vom Kriegsgeschrei. Zwischen den feindlichen Truppen war eine blutige Schlacht entbrannt, und in den Feldern hinter den Bäumen schlugen hin und wieder Geschosse ein, die den Lärm der Waffen und das Geschrei der Verwundeten übertönten. Der Kampf hatte bereits viele Opfer gefordert, und die Überlebenden dürsteten nach Rache.
    Das Laub, noch dicht und grün am Ende des Sommers, bildete ein Dach, durch das der Sonnenschein in dünnen, staubigen Strahlen drang. Die Luft war schwül und schwer und roch nach frischer Erde und wilden Tieren.
    Es gab keinen Ort, an dem Jared MacKade glücklicher war als in den unheimlichen Wäldern.
    Er war Offizier der Union, ein Captain. Er war Captain geworden, weil er mit zwölf Jahren der Älteste war und dieser Rang ihm daher zustand. Seine Truppen bestanden aus Devin, der sich als Zehnjähriger mit dem Rang eines Korporals zufriedengeben musste. Ihr Auftrag war klar. Vernichtet die Rebellen.
    Da der Krieg eine ernste Sache war, hatte Jared eine Strategie entwickelt. Er hatte Devin als seinen Soldaten gewählt, weil Devin Befehle befolgte. Außerdem war Devin ein kluger Kopf. Und Devin war ein erfahrener Nahkämpfer und machte nie Gefangene.
    Rafe und Shane, die anderen MacKade-Brüder, waren ebenfalls hervorragende Kämpfer, aber, wie Jared wusste, oft viel zu ungestüm. Auch jetzt rannten sie wieder laut schreiend durch den Wald, während Jared geduldig im Hinterhalt auf sie wartete.
    „Sie werden sich trennen, du wirst sehen”, flüsterte Jared, als er und Devin sich im Unterholz versteckten. „Rafe will uns herauslocken und erledigen.” Jared spuckte verächtlich aus, denn er war zwölf, und Spucken war cool. „Er hat keinen militärischen Verstand.”
    „Shane hat überhaupt keinen Verstand”, erwiderte Devin, der wie alle Brüder nicht sehr viel von seinem Bruder hielt.
    Die beiden grinsten, zwei Jungs mit zerzaustem schwarzem Haar und unbeschwerten Gesichtern, auf denen der Schweiß sich mit dem Schmutz vermischte. Jared sah sich um. Er kannte jeden Stein, jeden Baum, jeden ausgetretenen Pfad. Oft kam er allein her, um zu wandern oder einfach nur dazusitzen. Und um zu lauschen. Dem Wind in den Bäumen, dem Geraschel der Eichhörnchen und Hasen. Dem Murmeln der Gespenster.
    Er wusste, dass andere hier gekämpft hatten und gestorben waren, und es faszinierte ihn. Er war auf dem Bürgerkriegsschlachtfeld von Antietam, Maryland, aufgewachsen, und wie jeder Junge seines Alters wusste er, was für Triumphe und Tragödien sich an diesem Schicksalstag im September 1862 abgespielt hatten.
    Eine Schlacht, die als der blutigste Tag in die Geschichte des Bürgerkriegs eingegangen war, musste die Fantasie eines Jungen anregen. Mit seinen Brüdern hatte er jeden Fußbreit des Schlachtfelds durchkämmt und war durch die Kornfelder gerannt, auf denen damals der Pulverqualm die Ähren schwarz gefärbt hatte.
    So manche Nacht hatte er daran gedacht, dass einst Bruder gegen Bruder gekämpft hatte … in Wirklichkeit, nicht nur als Spiel. Und er hatte sich immer wieder gefragt, wie es ihm ergangen wäre, wenn er in jener dramatischen Zeit geboren worden wäre.
    Doch am meisten faszinierte ihn, dass Männer ihr Leben für eine Idee hingegeben hatten. Oft, wenn er allein im Wald saß, träumte er davon, für eine Idee zu kämpfen und stolz zu sterben.
    Seine Mutter erklärte ihm häufig, dass ein Mann Ziele und Überzeugungen brauche und stolz darauf sein könne, wenn er für sie eintrat. Dann lachte sie, strich ihm übers Haar und sagte ihm, dass es ihm an Stolz gewiss niemals mangeln werde. Er besaß bereits jetzt zu viel davon.
    Er wollte der Beste, der Schnellste, der Stärkste, der Klügste sein. Das war keine leichte Aufgabe, denn seine drei Brüder wollten genau dasselbe. Also quälte er sich. Er lernte mehr, kämpfte entschlossener und arbeitete härter. Verlieren kam für Jared MacKade einfach nicht infrage.
    „Sie kommen”, flüsterte Jared.
    Devin nickte. Er hatte auf das Knacken von Zweigen und das Rascheln von Blättern geachtet und gewartet. „Rafe ist dort vorn. Shane will uns von hinten überraschen.”
    Jared vertraute Devin. Sein Bruder besaß den Instinkt einer Raubkatze. „Ich übernehme Rafe. Du bleibst hier, bis wir kämpfen. Sobald Shane angerannt kommt, schnappst du ihn dir.”
    Jareds Augen leuchteten. Die Brüder gaben sich kurz die Hand. „Sieg oder Tod.”
    Etwas Hellblaues huschte von Baum zu Baum. Das verblichene
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