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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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Boden jetzt so hart gefroren, dass niemand die erforderlichen Löcher ausheben kann, um sie aufzustellen. Mr. Gudgeon – du erinnerst dich, der Wirt zur Krone – hat sein Lager im Keller als öffentlichen Luftschutzraum zur Verfügung gestellt. Wie sich erweist, ist die Krone nämlich viel älter, als sie über Tage aussieht; darunter liegt ein Labyrinth von Krypten mit Gewölbedecken und dicken Wänden, das sehr alten Datums zu sein scheint und vor der Reformation sicher Teil einer Abtei war. Wenn auch der vordere Bereich, der hinter dem Tresen bequem über eine Treppe zu erreichen ist, von Bierfässern in Anspruch genommen wird, so liegen doch noch weitere geräumige Katakomben dahinter. In eben diese will Gudgeon die Dorfbevölkerung strömen lassen. Die Präsidentin des Frauenverbands von Paggleham war bereits damit beschäftigt, für etwas Wohnlichkeit zu sorgen – Schlafkojen, Petroleumofen, Wasserkocher, eine kleine Bibliothek aus gespendeten Büchern, Wolldecken von der Gemeinde –, als sich, man höre und staune, eine neue Schwierigkeit einstellte: Pagglehams Methodisten sind unter keinen Umständen bereit, sich in ein Wirtshaus treiben zu lassen, selbst wenn es um Leben und Tod geht. Mr. Gudgeon bot an – sehr großmütig, wie ich finde –, seine Bierfässer beiseite zu räumen, sodass jeder in den Gewölben Schutz fände, ohne auch nur vom Anblick einer Daube, eines Fassreifens oder Zapfens beleidigt zu werden, aber es half alles nichts. In Paggleham kann auch Hitler keinen Methodisten dazu bringen, sich beim Betreten eines Wirtshauses beobachten zu lassen.
    Bei diesem Stand der Dinge blieb es einige Tage lang, bis irgendwem «Die Höhle» einfiel, eine Ausschachtung im Kreidefelsen des Spring Hill, die, wie es heißt, zu Zeiten der Napoleonischen Kriege als Munitionslager diente und nun sowohl tief genug für den aktuellen Zweck wie auch ausreichend geräumig für die Gemeinde der Erweckten zu sein scheint. Mrs. Ruddles junger Bert musste umgehend damit beginnen, den Ort mit behelfsmäßigen Kojen auszustatten – soll ja keiner sagen, Anglikaner oder Gottlose fänden ein sanfteres Ruhekissen als die Wesleyaner! Ich vermute ja stark, dass sich in der Praxis jeder beeilen wird, bei Luftalarm einfach den nächstgelegenen Schutzraum zu erreichen, sodass wir schließlich in der Ökumene unsere Zuflucht finden, sei es nun am Dorfeingang oder am Dorfausgang. Da Hitler uns bislang den Dienst einer konkreten Bedrohung schuldig geblieben ist, hat uns unser hervorragendes Luftschutzkomitee für einen Samstagabend eine Übung verordnet, wo ein vermeintlicher Luftangriff stattfinden soll. Der Samstag muss es sein, weil alle Zeit haben, und niemand will die entsetzlichen Unannehmlichkeiten simulieren, die sich im Falle eines echten Luftangriffs womöglich ergeben.
    Für den nächsten Samstag ist ein Tanzvergnügen im Gemeindehaus angekündigt, und da wir die tapferen Burschen von den vielen Flugplätzen ringsum nicht verprellen wollen, ist die Übung im unmittelbaren Anschluss an den Tanzabend angesetzt, dann werden wir also sehen, ob die Methodistenhöhle auch nicht zu weit abseits liegt. Von Talboys aus liegt die Höhle natürlich näher als die Krone, aber ich habe Mrs. Goodacre versprochen, ihr während des Abends am Erfrischungsstand zu helfen, also heißt es dieses Mal für uns Gewölbe. Lieber Peter, wie trivial dir das alles doch beim Lesen erscheinen muss, wenn dieser Brief dich denn überhaupt erreicht, inmitten von etwas sehr viel Weltbewegenderem und umlauert von Gefahren, die keiner Generalprobe bedürfen. Aber mehr Neuigkeiten aus unserem Krähwinkel habe ich dir nun mal nicht zu bieten. Möge Gott uns davor bewahren, dass ich dir Interessanteres schreiben muss …

Eins

    Der Zufall bestimmt, welches von den verschiedenen In dividuen, aus denen sich jeder von uns zusammensetzt, deutlicher zutage tritt und welches weniger deutlich. Henry de Montherlant, Explicit Mysterium, 1931

    «Wer, Lady Peter», fragte Miss Agnes Twitterton, «ist denn beispielsweise das da?»
    «Ich muss Ihnen Recht geben», sagte Mrs. Goodacre, die Pfarrersfrau. Sie stand mit den beiden anderen hinter dem Tapeziertisch an der hinteren Wand des Gemeindesaals und war dabei, Miss Twittertons Pastinakwein in das aufgereihte Sammelsurium von Sherrygläsern zu schenken. «Früher, wie man so schön sagt, vor noch gar nicht einmal so langer Zeit, da kannten wir jede Menschenseele, die uns hier über den Weg lief. Ein Fremder war
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