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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Wahrheit auslöst. Kurzsichtige Kritik hat gerügt, daß dieser detektivische Außenseiter (Außenseiter wie fast alle berühmten Detektive der mystery story) die unwahrscheinlichsten Eigenschaften in sich vereine: aristokratische Herkunft, Kunst- und Büchersinn, den besten und beredtesten aller Diener, umfassendes Wissen, untadelige Erziehung, Zugang zu den verschlossensten Türen, auch denen des Vatikan, Erfolg bei Frauen und ernste philosophische Neigungen, ein unbegrenztes Vermögen und natürlich eine Meisterschaft in der wichtigsten englischen Sportart, dem Cricket. Solche Kritik geht von der irrigen und von den Lesern niemals geteilten Annahme aus, daß die Realität der Detektivgeschichte identisch sei mit der Realität des großen Romans, der ›nur‹ darauf aus ist, die Wirklichkeit einer Zeit und einer Gesellschaft zu begreifen. Aber das ist nicht die Absicht; vielmehr ist sie ein Spiel nach festen Regeln, eine Veranstaltung zur Wahrheitsfindung, eine besondere Kunst wie das Glockenläuten. Das Schreiben von mystery stories, so hat Dorothy L. Sayers gesagt, sei ein Handwerk, und sie selbst sei darin Meister. Es gibt genau die merkwürdige Befriedigung, welche die Ausübung einer raffinierten Hand werklichkeit dem Handwerker schenkt. Es ist fast so befriedi gend wie die Arbeit mit den Händen. Es ist eher wie das Legen eines Mosaiks – stückweise – scheinbar sinnlos und ohne Zu sammenhang an seine Stelle gelegt, bis man plötzlich das Ding als ein zusammenhängendes Bild erkennt. Die Elemente, die der Realität entnommen werden, werden nicht um dieser selbst, sondern um des Mosaiks willen verwendet. Der Detektiv ist die Figur, welche den noch unerkannten Zusammenhang vermittelt. Deshalb ist er anders als die andern, er ist aus auf Wahrheit und die Herstellung von Recht und so viel eher mit dem Helden des Märchens verwandt als mit den Zentralgestalten neuerer Erzählkunst.
    Freilich hat die englische Literatur eine bemerkenswerte Tradition, wenn es gilt, die Elemente realistischen Erzählens mit den scheinbar entgegengesetzten des Märchens zu vereinigen. Dickens etwa verbindet das greifbare Abbild bestimmbarer Umstände mit der Unbeirrbarkeit des Märchenhelden, der allen Rätseln und Widrigkeiten der Welt die Stirn bietet, bis die erfreuliche Lösung seine Beharrlichkeit lohnt. Ein solcher Held ist gerade nicht ›aus dem Leben gegriffen‹, keiner wie wir selbst oder unser Nachbar, vielmehr so, wie wir selbst und un ser Nachbar sein wollten oder sollten. Es ist eine besondere Leistung der Autorin, daß ihr Held dennoch menschlich bleibt; menschlich in Liebesdingen – von denen dieser Roman nicht spricht – und menschlich in den Skrupeln, welche die Verfolgung wie die Folgen der Wahrheit in ihm erregen, menschlich im Umgang mit Menschen. Seine Souveränität ist nicht unbegrenzt, aber wenn seine Möglichkeiten nicht die alltäglichen überstiegen, so brauchte es ihn nicht zu geben. Er ist erreichbar genug, daß sich der Leser mit ihm identifizieren kann, und er ist unerreichbar genug, daß er es auch möchte. Das wird erleichtert durch die Tatsache, daß der Schauplatz und die ihn bevölkern die Evidenz erkennbarer Wirklichkeit haben. Sie scheinen ›aus dem Leben gegriffen‹; und die Geläufigkeit einer solchen platten Wendung deutet auf ein andres keineswegs märchenhaftes Leserbedürfnis: zu erfahren, wie die Welt an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten aussehe und welche Art Leute sich in ihr bewege. Bei Dickens und Thackeray wird das London der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts reproduzierbar, bei Trollope die Provinz. In The Nine Tailors wird es die vom Meer bestimmte Landschaft der Fens, in der das Elternhaus der Autorin gewesen war, welche übrigens die Herstellung einer Verbindung zwischen ihrem Werk und ihrem Leben keineswegs schätzte. Hier eine Windmühle, da ein alleinstehendes Bauerngehöft, dort eine Pappelreihe entlang einem schilfbewachsenen Deich. Weizen, Kartoffeln, Rüben, Senf und wieder Weizen, Wiesen, Kartoffeln, Klee, Wei zen, Rüben und Senf. Eine lange Dorfstraße mit einem grauen, uralten Kirchturm, eine Kapelle aus roten Ziegeln und inmitten einer kleinen Oase aus Ulmen und Kastanien das Pfarrhaus, dann wieder Deiche und Windmühlen, Weizen, Senf und Wie sen. Je weiter sie fuhren, desto flacher wurde das Land, sofern etwas noch flacher als flach sein kann … In dieser Weite steht die Kirche von Fenchurch St. Paul, ein Wunder mittelalterlicher Baukunst,
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