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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Aber es bleibt auch dabei, daß der Leser der Lösung so fern oder so nah ist, wie die in der Erzählung darum Bemühten; was sie zum jeweiligen Zeitpunkt wissen oder nicht wissen, weiß auch er, ihre Fortschritte sind die seinen, ihre Rückschritte auch. Das Bewußtsein der Rätselhaftigkeit wird beständig unterhalten, zum Teil durch Tatsachen, deren Zusammenhang unerfindlich, zum Teil durch Hinweise, deren Sinn verschlossen bleibt. Die Elfen tanzten Reigen, es wiegte im leichten Wind dazu sich der schlotschwar ze Elefant. Die Einzelheit scheint sinnlos, wie das im Glockenstuhl gefundene Stück poetischer Prosa auf fremdländischem Papier. Aber sowohl Lord Peter wie auch seine weniger begabten Kollegen von der englischen und französischen Polizei haben die eine Grundüberzeugung gemein und halten mit Zähigkeit an ihr fest: daß die Unerfindlichkeit der Zusammenhänge nicht gleichbedeutend sei mit Sinnlosigkeit. Die Fragen sind da, um Antwort zu finden: » Wer hat ihn also umgebracht? … Und wer hat ihn begraben? … Und wie haben sie's ge macht? Und warum haben sie Cobbleigh zuerst gefesselt? Warum ihm nicht gleich eins auf den Schädel geben? Warum hat Thoday zweihundert Pfund von der Bank abgehoben und wieder eingezahlt? Wann ist das Ganze passiert? Wer war der Mann, den Potty Peake am Abend des 30. Dezember in der Kirche gesehen hat? Und vor allem: warum wurde die Chiffre ausgerechnet in der Glockenstube gefunden? «
    So viele Fragen, so wenig Antworten; so viele Antworten, aber keine Lösung. In früheren Zeiten, noch vor der von Miss Sayers vollzogenen Vereinigung der Detektivgeschichte mit den Traditionen des englischen Romans, wäre die Lösung durch bloße scharfsinnige Deduktion zustande gekommen, wie bei E. A. Poe oder Conan Doyle. Dort herrschte die absolute Logik, und die Aufklärung des Mordes war ein gleichsam aufgeklärtes Unterfangen, von der unbegrenzten Zuversicht eines wissenschaftlichen Schlußvermögens durchdrungen; abwägende Umsicht und der rechte Gebrauch einer aufmerksamen Vernunft waren jedem Hindernis gewachsen. In T he Nine Tailors ist das anders, und zwar weil der Vernunft Bedingungen gesetzt sind durch die Geschichte. Sie werden begreiflich mit Hilfe der Glocken, die nicht erst seit heute läuten und überdies nicht allein zu frommen Zwecken, sondern auch auf eine spielerisch-kunstvolle Weise. Die Kunst des change ringing hat ihre eigenen Gesetze, Fremden unbekannt, dem Eingeweihten ein Quell erbaulichen Vergnügens, aber keineswegs gefahrlos. Die Seilschlaufe, die es vor und während des Läutens einer Glocke in der Hand zu halten gilt, gibt dem Lernenden stets neue Rätsel auf; sie schlägt ihm ins Gesicht oder schlingt sich um seinen Hals (in welchem Falle er sich gar daran erhängen kann). Die Warnung des Glocken-Lehrbuchs ist nicht ohne historischen Grund, wie Jack Godfrey dem rothaarigen Backfisch Hilary Thorpe erklärt. Er läutet die älteste der Glocken, Batty Thomas, 1380 umgegossen und von Abt Thomas gestiftet: Und wie Cromwell seine Leute geschickt hat, daß sie die ganzen Bilder kaputtschlagen und so, da soll mal ein Soldat hier in die Glockenstube gekommen sein … Und wie der Soldat sich vorbeugt und die Glocken angucken will, da kommt Batty Thomas runtergesaust und schlägt ihn tot. Das ist Geschichte, sag ich, und der Pfarrer sagt, daß Batty Thomas damals die Kirche gerettet hat, denn die Soldaten haben es mit der Angst gekriegt und sind abgehauen, weil sie gedacht haben, das ist ein Gottesurteil, obwohl ich finde, es war nur Schlamperei … Und dann war da noch der arme Kerl, der das Läuten lernen wollte – damals unter dem alten Pfarrer war das noch –, und wie er versucht hat, Batty Thomas aufzuschwingen, hat er sich am Seil aufgehängt … Aber Sie sehen, Miss Hilary, Batty Tho mas hat schon zwei Männer erschlagen … Es werden, wie der Leser weiß, nicht die letzten sein; und es paßt zu der ›theologischen‹ Neigung des Romans, daß es schließlich keinen Mörder gibt oder aber, daß alle, die mit der edlen Kunst des Wechselläutens befaßt vom alten zum neuen Jahr hinüber läuteten, mitschuldig sind am Tode eines armseligen Kriminellen. Ich weiß, man soll nicht Böses tun, daß Gutes werde. Aber Gutes tun, daß Böses werde, das ist es, was mich so fuchst.
    Die Frage nach der Schuld erweist sich als tiefer, als ein Polizeibericht sie zu fassen vermag, und Wimsey wird nicht nur in diesem Roman leiden an den Konsequenzen, die seine Suche nach der
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