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Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)

Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)

Titel: Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Autoren: Magali Ségura
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Die Luft war gut, obwohl der Wind nachgelassen hatte. Der junge Reisende hatte endlich den roten Umhang mit dem hohen Kragen abgelegt, den er den ganzen Tag über getragen hatte. Er setzte sich aufs Fensterbrett, wo sein Stiefelabsatz ein etwas ausgeblichenes, malvenfarbenes Samtkissen zusammendrückte. Der Mond leuchtete schön und klar. In seinem Licht zeichneten sich vor einem funkelnden Hintergrund aus Sternen und Luftspiegelungen hohe, baumbestandene Gipfel ab. Die Silhouette der Bäume hätte man für die Überreste eines verbrannten, vom Wind liebkosten Waldes halten mögen.
    Der Blick des Reisenden war leer. Doch ein junges Mädchen hatte seine Seele mit der Zärtlichkeit erfüllt, nach der er sich so lange gesehnt hatte. Dennoch gelang es ihm nicht, glücklich zu sein. Gewiss, draußen herrschte nicht die gewünschte Ruhe: In unregelmäßigen Abständen knallten Seile, und über das betrunkene Grölen der Passanten hinweg, die so spät noch unterwegs waren, hörte man ein dumpfes Grollen. Aber es war nicht der Lärm, der ihm Sorgen machte. Er richtete den Blick auf einen verpackten Gegenstand, der auf dem Tisch neben ihm lag und die wahre Ursache seiner Besorgnis war.
    Er streckte den Arm aus, um den Wildlederbeutel an sich zu nehmen, und öffnete ihn langsam. Weißer Seidenstoff umhüllte ein kleines Buch. Der junge Mann zog die Schutzhülle vorsichtig ab und bewunderte einmal mehr das weinrote Leder, das im Laufe der Jahre kaum nachgedunkelt und an den Ecken mit goldenen Beschlägen verziert war. Das prächtig ziselierte Schloss war mit drei sternförmig geschliffenen Smaragden geschmückt.
    Der Reisende strich über die Edelsteine: Sie erinnerten ihn an eine Fahne, auch an eine übereilte Abreise, an Worte, die ihm in der Kehle stecken geblieben waren, an den Diebstahl dieses Buchs… Jetzt kannte er das Familiengeheimnis Frederiks von Pandema, doch er war sich nicht sicher, ob ihn dieses Wissen befriedigte.
    Er schob das Schnappschloss des Buchverschlusses auf, öffnete das Buch im letzten Viertel und blätterte die dünnen Papierseiten um. Die unregelmäßige, runde, beinahe kindliche Schrift beschrieb einen Wendepunkt im Leben des Autors:
    »Ich habe den Feuervogel nur aus Hunger getötet – ich wusste nicht um seine Legende. Für mich stellte er nur von Federn umgebenes Fleisch dar, das gut mit messerscharfen Krallen und einem kräftigen Schnabel bewaffnet war, denen ich aber durch List und Geschicklichkeit entgehen konnte. Sein Blut trank ich nur, um den entsetzlichen Durst zu löschen, der mich peinigte, während ich meine Beute garte. Für die Welt des Ostens war das ein Segen, für meinen Bauch aber ein Elend, denn der Vogel selbst fand nie den Weg hinein!
    Beim letzten Blutstropfen stürzte ich auf den steinigen Boden. Ein heftiges Delirium bemächtigte sich meiner. Drei weiße Dunstschwaden umwogten mich. Gesichter bildeten sich heraus, eines über dem anderen, eines im anderen, so schwankend wie meine Sehkraft. Ein Feuer durchtoste meine Adern, verschlang den Rest meiner Kräfte und ließ mich auf dem Boden zerfließen. Ich glaubte schon, an Gift zu sterben, als eine kristallklare Stimme sich erhob, um mich zu beruhigen. Mein Herzschlag verlangsamte sich bei diesem reinen Klang, der Schmerz verflog. Bilder zogen durch meinen Kopf, Visionen von Glück, die nicht Wirklichkeit werden konnten: Dorffeste nach guten Ernten, Kinder, die in sommerlichen Spielen um die Wette liefen, Männer und Frauen, die ruhig auf den Straßen einherschritten, und ein junges Mädchen … Ein wunderschönes junges Mädchen, das mich anlächelte.
    Ich wusste nicht, dass es die Feen gab – wie hätte ich also erraten sollen, dass sie bei mir waren? In einer Welt des Krieges ist es unmöglich, sich die Gottheiten des Guten und des Lebens vorzustellen. Aber als ich diese Bilder sah, begriff ich, dass diese wundersamen Wesen mir eine Zukunft zeigten, die nur von mir abhing.
    Diese Zukunft wollte ich, das schrie ich aufrichtig heraus. Ich glaube, ich habe sonst nie etwas derart herbeigesehnt. Das Feuer in meinen Adern, das sich gelegt hatte, flammte wieder auf, aber diesmal ohne Schmerzen. Nur die Hitze blieb: Sie gab mir Auftrieb und verschaffte mir den Eindruck, plötzlich größer und stärker zu sein. Andere Bilder folgten in meinem Kopf aufeinander, flüchtig und verschwommen. Ich habe noch immer Schwierigkeiten, mich an sie zu erinnern, und brauchte Monate, um einen Überblick über alles zu gewinnen. So, als wäre
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