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Das Herz aus Eis

Das Herz aus Eis

Titel: Das Herz aus Eis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    »Sie sind ein hartnäckiger Bursche, Patrik«, sagte Valeria Thurner lächelnd und lehnte sich in dem weißen Armsessel zurück. »Sogar morgens werfen Sie mich wegen eines Heiratsantrages aus den Federn! Seid ihr Iren alle so feurig?«
    »Valeria, hören Sie mich an!« flehte Patrik McJohn. Er beugte sich vor und sah Valeria schwärmerisch in die tiefblauen Augen unter den goldfarbenen, üppigen Locken.
    Amüsiert winkte Valeria ab, und bevor es richtig begonnen hatte, beendete sie mit dieser eleganten Handbewegung die ganz sicher zu erwartenden Liebesschwüre.
    Es war genau 9 Uhr 15. Eine warme, helle Maisonne flutete durch die beiden Fenster in den großen Raum. Vor den weit offenen Fensterflügeln bauschten sich schwach die dünnen Stores. Von der Straße herauf hörte man den dumpf brausenden Verkehr der Weltmetropole New York. Der einzige Nachteil der im ersten Stock gelegenen Wohnung waren die Geräusche der nahegelegenen stark befahrenen Straße, an die Valeria sich jedoch mit der Zeit gewöhnt hatte.
    Valeria Thurner war einer der Top-Stars der ›Pearson-Film‹ und berühmt geworden durch die meisterhafte Darstellung einer blinden Pianistin. Sie galt als die charmanteste und schönste Frau des amerikanischen Films. Der tägliche Eingang ihrer Fan-Post lag bei sechshundert bis tausend Briefen – nicht hinzugerechnet die Stöße von Foto- und Autogramm-Bitten. Aber trotz ihrer Beliebtheit und des überall anerkannten Rufes als hervorragende Schauspielerin war Valeria Thurner im Grunde ihrer Seele einfach und zurückhaltend geblieben. Ihrem Publikum schenkte sie all ihre schauspielerischen Talente verschwenderisch, kehrte dann aber zurück in diese ihr eigene, stille Welt, aus der sie weder Starruhm noch die Lobpreisungen ihrer Umgebung hervorlocken konnten. Kollegen, die die Echtheit ihrer Gefühle nicht erkannten und sich selbst im Blitzlichtgewitter der applaudierenden Öffentlichkeit sonnten, nannten sie deshalb stolz und eingebildet.
    Manch glühender Bewerber um ihre Gunst mußte erfahren, daß Valeria Thurner im normalen Leben völlig anders war als in ihren Rollen. Sie waren enttäuscht darüber, daß sich die berühmte Schauspielerin in nichts von einer herkömmlichen Hausfrau unterschied, ja sogar ein noch langweiligeres Privatleben führte.
    Einer der wenigen, der seit zwei Jahren zu ihrem engeren Kreis gehörte, war Patrik McJohn. Er war eine merkwürdige Mischung zwischen Ire und Schotte, groß, schlank, drahtig, mit der Lässigkeit eines geborenen Gentleman und der Treue eines Bauern, bärenstark, doch gutmütig bis zur Unlogik, dazu aber begabt mit einer blendenden Intelligenz, die ihn eigentlich für jeden durchschnittlichen Beruf ungeeignet machte.
    Als Kleinkind war er mit seinem Vater nach New York gekommen, der sich als Patentanwalt in Manhattan niedergelassen und es innerhalb von 28 Jahren zu Ansehen und einem wohlgefüllten Bankkonto gebracht hatte. Sein Sohn Patrik hatte nach Abschluß der Studien in Minnesota die väterliche Praxis übernommen. Als der alte McJohn gestorben war, blieb für Patrik die schwere, aber lohnende Aufgabe, das ererbte Millionenvermögen sinnvoll anzulegen und auszugeben.
    Seine Liebe zu Valeria Thurner hatte Patrik McJohn entdeckt, als er vor zwei Jahren auf einem Ball im Hotel Waldorf-Astoria die berühmte Schauspielerin kennenlernte und sie ihn bat, mit ihr auf den Dachgarten zu entfliehen, da sie den Trubel um ihre Person nicht ausstehen könne. Seitdem gehörte er zu Valerias stillen Beschützern und tauchte ungefähr alle sechs Wochen zusätzlich mit einem Heiratsantrag bei ihr auf, der stets höflich, humorvoll und mit einem Lächeln ebenso konstant abgelehnt wurde. Es gehörte gewissermaßen schon zu Patriks Lebensrhythmus, alle sechs Wochen geknickt nach Hause zu fahren und auf den Erfolg des nächsten Antrags zu hoffen.
    Heute nun, an diesem sonnigen 17. Mai 1938, saß er Valeria Thurner wieder in ihrer wunderschönen Wohnung in der 57. Straße gegenüber und betrachtete wehmütig den schlanken, biegsamen Körper in der weit fallenden, weißen Spitzenkreation. Weiße Fellpantoffel schützten ihre schmalen, nackten Füße.
    »Sie sehen – wie immer – einfach einmalig aus«, sagte Patrik McJohn kopfschüttelnd. »Aber Ihr Herz, beste Valeria, Ihr Herz ist ein Eisklumpen! Rätselhaft, wie nahe Vulkan und Eis nebeneinander wohnen«, philosophierte er weiter.
    Valeria Thurner nickte lächelnd. Sie erhob sich und zog den Spitzenmantel über ihrer
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