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Das Herz aus Eis

Das Herz aus Eis

Titel: Das Herz aus Eis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Gebrauch in Kamtschatka. Man bot Jacklow für diese grandiose Sammlung schon 57.000 Dollar, was er jedoch lächelnd abgelehnt hatte. Statt dessen verstaute er seine Bierdeckel diebstahlsicher in einem Stahltresor der New Yorker Staatsbank.
    Inspektor Fred Jacklow war weit über New York hinaus berühmt. Nicht wegen seiner umfangreichen Deckelsammlung, sondern wegen seiner in bestimmten Kreisen gehaßten Eigenart, die raffiniertesten Verbrecher und Gauner nicht nur aufzustöbern, sondern sie meistens noch in ihrem eigenen Netz zu fangen. Seine Spezialbegabung war es, die Fehler des Verbrechers auszukundschaften, aus der Gesamtsumme den schwächsten Punkt herauszukristallisieren und diesen dann gezielt einzusetzen. Diese Methode war wegen ihrer Treffsicherheit in der Unterwelt äußerst unbeliebt.
    Im Moment saß Jacklow in seinem Dienstzimmer, seinem Assistenten, Lieutenant Michael Collins, gegenüber.
    Collins war der Prototyp des farblosen jungen Mannes. Sein Gesicht, seine Figur, sein Gang, seine Stimme, seine Reden waren so langweilig, daß man seine Nähe mied. Man wollte nicht die Unhöflichkeit begehen, unwillkürlich gähnen zu müssen. Was ihn jedoch auszeichnete und ihm die Ehre gab, an der Seite Jacklows zu arbeiten, waren ein blitzschnelles Erfassen von Situationen und ein phänomenales Gedächtnis für Personen, Zahlen und Ereignisse. Er war ein lebendes Nachschlagebuch für die neuesten Kriminalfälle und ersetzte das mühselige Suchen in der Verbrecherkartei.
    »New York wird tugendhaft«, sagte Inspektor Jacklow gerade und blätterte die Morgenmeldungen durch. »Im Dezernat in dieser Nacht nur zwei ungeklärte Raubüberfälle, drei Selbstmorde, ein Sittlichkeitsvergehen und siebzehn tödliche Autounfälle. Unsere Männer scheinen unter den Gangstern gründlich aufgeräumt zu haben.«
    Michael Collins räkelte sich wohlig auf seinem Stuhl.
    »Kunststück«, meinte er. »Wie wir gearbeitet haben! Was ist eigentlich aus Jim Blendel geworden, Chef?«
    »Fünfzehn Jahre Sing-Sing«, antwortete Jacklow gleichgültig. Sing-Sing ist das berühmte Muster-Zuchthaus der USA und Asyl der schwersten Jungs. »Aber verraten Sie mir mal was ganz anderes, Michael. Wie kommt es, daß ich Sie noch nie lachen gesehen habe?«
    Michael Collins zuckte die Achseln und blickte an die Decke.
    »Vielleicht«, meinte er, »weil das Leben sowieso lächerlich ist …«
    In diesem Augenblick schnurrte das Telefon auf Jacklows Schreibtisch. Der Inspektor und Collins sahen sich an.
    »Na«, meinte Jacklow, »auf was tippen Sie, Michael?«
    »Jetzt, um halb fünf nachmittags? Verkehrsunfall am Broadway, mehr nicht!«
    Fred Jacklow nahm den Hörer ab und meldete sich. Eine Weile hörte er mit wachsendem Erstaunen einer schrillen, sich mehrfach überschlagenden Stimme zu und pfiff dann leise durch die Zähne. Erwartungsvoll schaute Collins ihn an.
    »Ja … einen Augenblick …«, unterbrach Jacklow die aufgeregte Stimme im Apparat, hielt die Sprechmuschel zu und wandte sich an Collins, der bereits Bleistift und Papier vor sich liegen hatte. »Schreiben Sie, Michael: 17. Mai 1938, 4 Uhr 30 nachmittags, Anruf Nr. 17. Die Hauswirtin von Nr. 22, 57. Straße, zeigt an, daß sie soeben die Filmschauspielerin Valeria Thurner sterbend in ihrem Badezimmer auf dem Boden liegend entdeckte. Jede Hilfe kam zu spät. Mord oder Selbstmord nicht ausgeschlossen, obwohl keine Wunde zu sehen ist. Es wird Vergiftung angenommen. – Ja?« Er wandte sich wieder dem Telefon zu und lauschte, während Collins mit runden Augen verwirrt auf seinen Schreibblock starrte. »Wir kommen sofort … ja … beruhigen Sie sich … in spätestens zehn Minuten …« Er hängte den Hörer ein und blickte Collins an.
    »Nun?« fragte er, »was sagen Sie dazu, Michael?« Auch er schien von der Nachricht bestürzt zu sein.
    »Die Valeria Thurner?« stotterte Lieutenant Collins entgeistert. »Kaum glaublich … wer sollte sie ermorden? Bei soviel Schönheit wird doch jeder Mörder schwach!«
    »Ob schwach oder nicht, es ist geschehen! Der Fall interessiert mich, wir werden ihn selbst bearbeiten. Collins, verständigen Sie den Wagen, den Arzt und den Fotografen. Ich glaube, wir werden bei dieser Valeria Thurner auf eine tolle Überraschung stoßen.«
    Michael Collins stand auf und wollte schon aus dem Zimmer laufen, als das Telefon nochmals läutete. Er kehrte sofort um und hörte durch den zweiten Hörer das Gespräch mit. Beide Männer konnten nicht verhindern, daß es
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