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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Kombinationsgabe des Autors, des Detektivs und des Lesers strenge Forderungen stellt; sie unterwirft die Bedingungen des Erzählens zusätzlich denen einer besonderen Gattung. Der erfahrene Leser erkennt, ob ihnen genügt wird. Zweifellos war es der Ehrgeiz der Autorin, mit diesem Werk sowohl die Ansprüche des Romans wie der mystery story zu erfüllen. Sie wollte also jene Kunstwelt darstellen, die, von der Erfahrung genährt, sich von ihr ablöst und zur eigenen Welt wird – so wie es Wimsey zu Hilary Thorpe gesagt hat. Diese Sätze des auch literarisch bewanderten Detektivs haben eine merkwürdige Nähe zu Sätzen von Fontane, welche Dorothy L. Sayers zwar nicht gekannt hat, aber gebilligt hätte. Das wird der beste Roman sein, dessen Gestalten sich in die Gestalten des wirklichen Lebens einreihen, so daß wir in der Erinnerung an eine bestimmte Lebensepoche nicht mehr genau wissen, ob es gelebte oder gelesene Figuren waren, ähnlich wie manche Träume sich unserer mit der gleichen Gewalt bemächtigen wie die Wirklichkeit.
    Der Ehrgeiz, solchen Gestalten das Leben zu schenken, trifft nun auf den anderen, den Regeln der Detektivgeschichte zu entsprechen. Auch sie will Leben, aber sie begnügt sich nicht damit, es im Fortgang der Handlung immer übersehbarer werden zu lassen und zu einem Ende zu führen, mag dieses nun glücklich sein oder tragisch oder offen bleiben. Sie begnügt sich also nicht mit der so einsichtigen wie konsequenten und kunstvollen Reproduktion von Erfahrung, sondern sie unterwirft sich der Annahme, daß alle menschliche Erfahrung als ein Problem ausgedrückt werden kann, das eine voraussagba re, endgültige und allein mögliche Lösung hat … Das, so mer ken wir, ist die Vorstellung vom Leben, die wir vom Künstler vorgeführt haben wollen. Es ist bedeutsam, daß Leser die De tektivgeschichte so oft als eine Ausflucht vor den Problemen des Daseins begrüßen. Sie ›lenkt von ihren Sorgen ab‹. Natür lich tut sie das. Denn sie überredet sie leise, daß Liebe und Haß, Arbeitslosigkeit, Wirtschaft und internationale Politik Probleme seien, die in der gleichen Weise behandelt und gelöst werden können wie der ›Mord in der Bibliothek‹. Die schöne Endgültigkeit, mit der der Vorhang am Schluß der Unterneh mung fällt, verbirgt vor dem Leser, daß kein Teil des Problems › gelöst‹ worden ist, außer demjenigen, das als Problem präsen tiert worden war.
    Mit diesen Sätzen hat Dorothy L. Sayers, den Interessen der Literaturwissenschaft um Jahrzehnte vorauseilend, gleich mehrere Eigentümlichkeiten des von ihr kultivierten Genres bestimmt. Die erste ist der Spielcharakter, über den zwischen Autor und Leser durchaus Einverständnis herrscht. Die Prämisse, daß alle menschliche Erfahrung als ein mit Notwendigkeit lösbares Problem begreiflich sei, widerstreitet eben dieser Erfahrung. Indem man sich dennoch darauf einläßt, läßt man sich auf die Regeln eines Spiels ein, die bestimmte Verläufe gestatten oder gar hervorrufen, andere, durchaus denkbare und mögliche aber ausschließen. Das bedeutet, daß der Leser, auf der Grundlage jenes Einverständnisses, sich im Gegensatz zum ›gewöhnlichen‹ Roman des fiktiven Charakters der ganzen Veranstaltung durchaus bewußt bleibt. Das ist kein Nachteil; denn es wird eine reizvolle Spannung hergestellt zwischen den erkennbaren Elementen menschlicher Realität, aus denen die Handlung sich nährt, und jenem Fiktionscharakter, der das Ganze als ein Spiel erscheinen läßt und dem Ernst der Vorkommnisse und Akteure, sogar dem des Todes, die Möglichkeit vorenthält, jemals ganz ernst zu werden. Insofern ist die Realität der Kriminalgeschichte, mag sie noch so ›realistisch‹ geboren werden, niemals eine vollkommen wirkliche. Sie nimmt nicht Anstoß an der alten Einsicht, daß die Dichter, insofern sie erfinden, auch lügen. Die Autorin hat auch darüber nachgedacht, indem sie, eine aristotelische Wendung gebrauchend, feststellte, das Rezept für die Detektivgeschichte besteht in der Kunst, Lügen aufzubauen. Von Anfang zum Ende des Buches hat man allein zum Ziel und Gegenstand, den Leser an der Nase herumzuführen und ihn zu verleiten, daß er eine Lüge glaubt. Daß er glaubt, der wahre Mörder sei unschuldig, daß er glaubt, eine harmlose Person sei schuldig; daß er glaubt, der Detektiv habe recht, wo er irrt, und irre, wo er recht hat; daß er glaubt, das falsche Alibi sei begründet, die Anwesenden abwesend, die Toten lebendig und die
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