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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Stadt zu Stadt und kontrolliert die Reklamewände und meldet beschädigte oder schlecht plazierte Plakate. Man stellte mir einen Morgan zur Verfügung, mit dem ich herumfahre. Diese Arbeit mache ich auch jetzt noch.
    Mit den Träumen ist es besser geworden. Aber ich habe sie immer noch. Vor ein paar Nächten war es erst wieder soweit. Das war einer der schlimmsten, die ich je hatte. Ich war irgendwo, wo es dunkel und neblig war. Ich hatte den Teufel – mein anderes Ich – aufgespürt und kämpfte mit ihm. Ich fühle jetzt noch, wie ich meine Finger um seinen Hals legte – und mich selbst umbrachte.
    Das war in London. In London geht es mir immer schlechter. Dann bin ich hierhergekommen …
    Sie verstehen jetzt sicher, warum mich das Buch interessiert. Die vierte Dimension … ich habe noch nie davon gehört, aber dieser Wells scheint sich genau auszukennen. Sie sind doch ein gebildeter Mann. Wahrscheinlich waren Sie auf dem College und so weiter. Was halten Sie denn davon?«
    »Wissen Sie«, meinte Wimsey, »ich halte es für wahrscheinlicher, daß Ihr Arzt recht hatte. Die Nerven und so.«
    »Schon, aber das erklärt doch nicht, daß ich jetzt inwendig so verdreht bin. Sie haben vorhin etwas von Legenden gesagt. Es gibt ja Leute, die meinen, daß die Menschen im Mittelalter eine ganze Menge wußten. Ich glaube zwar nicht an Teufel und so etwas, aber vielleicht waren ein paar davon genauso geplagt wie ich. Ganz bestimmt hätten sie nicht soviel davon geredet, wenn sie es nicht so empfunden hätten, verstehen Sie? Aber ich möchte nur wissen, ob ich nicht irgendwie zurückkommen kann. Ich kann Ihnen sagen, es lastet ganz schön auf meiner Seele. Nämlich, daß ich nie genau Bescheid weiß.«
    »An Ihrer Stelle würde ich mir darüber nicht so viele Gedanken machen«, sagte Wimsey. »Ich würde weiter viel an die frische Luft gehen. Und ich würde heiraten. Dann wäre jemand da, der Sie im Auge behalten könnte. Und vielleicht würden auch die Träume wieder aufhören.«
    »Ja. Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Aber – haben Sie das neulich von diesem Mann gelesen? Der hat seine Frau im Schlaf erwürgt. Nun stellen Sie sich vor, daß ich – es wäre doch furchtbar, wenn einem das passierte, nicht? Diese Träume …«
    Er schüttelte den Kopf und starrte gedankenverloren ins Feuer. Wimsey stand nach einem kurzen Schweigen auf und ging in die Bar. Die Wirtin, der Kellner und das Barmädchen standen dort und steckten die Köpfe über der Abendzeitung zusammen. Sie unterhielten sich angeregt, verstummten aber abrupt, als sie Wimseys Schritte hörten.
    Als Wimsey zehn Minuten später in die Halle zurückkam, war der kleine Mann nicht mehr da. Wimsey nahm seinen Automantel, den er über einen Sessel geworfen hatte, und begab sich nach oben in sein Zimmer. Langsam und bedächtig zog er sich aus, schlüpfte in Schlafanzug und Morgenmantel, zog die Evening News aus der Tasche seines Automantels und studierte eine Weile aufmerksam einen Artikel auf der ersten Seite. Kurz darauf schien er einen Entschluß zu fassen, denn er stand auf und öffnete vorsichtig die Zimmertür. Der Korridor war leer und dunkel. Er knipste eine Taschenlampe an und ging leise weiter, den Blick auf den Boden geheftet. Vor einer der Türen blieb er stehen und betrachtete ein Paar Schuhe, das zum Putzen dastand. Dann probierte er leise die Tür. Sie war verschlossen. Er klopfte behutsam.
    Ein roter Kopf erschien.
    »Kann ich mal kurz reinkommen?« fragte Wimsey im Flüsterton.
    Der kleine Mann ging zurück ins Zimmer, und Wimsey folgte ihm.
    »Was gibt es denn?« fragte Mr. Duckworthy.
    »Ich möchte mit Ihnen reden«, sagte Wimsey. »Legen Sie sich wieder zu Bett, denn es könnte eine Weile dauern.«
    Der kleine Mann sah ihn erschrocken an, tat aber wie geheißen. Wimsey zog seinen Morgenmantel fest um sich, klemmte sich das Monokel ins Auge und setzte sich auf die Bettkante. Er sah Mr. Duckworthy ein paar Minuten wortlos an, dann sagte er:
    »Passen Sie auf. Sie haben mir heute abend eine merkwürdige Geschichte erzählt. Aus irgendeinem Grunde glaube ich Ihnen. Möglicherweise zeigt das nur, was für ein Esel ich bin, aber ich bin so geboren, und daran läßt sich jetzt auch nichts mehr ändern. Eine freundliche, vertrauensselige Natur etcetera. Haben Sie heute abend die Zeitung gelesen?«
    Er drückte Mr. Duckworthy die Evening News in die Hand und richtete sein Monokel noch starrer auf ihn.
    Auf der Titelseite war ein Foto. Darunter stand
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