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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sagen anrät, mehr nicht. Vergessen Sie nicht, man kann Sie nicht zwingen, irgend etwas zu sagen oder gar aufs Polizeirevier zu gehen, solange man keine Beschuldigung gegen Sie erhebt. Sollte man das tun, dann gehen Sie ganz ruhig mit und sagen gar nichts. Und egal, was Sie sonst tun, laufen Sie auf keinen Fall weg, denn wenn Sie das machen, sind Sie erledigt.«
    Wimsey kam am darauffolgenden Nachmittag in London an und ging auf der Suche nach einem Friseursalon die Holborn entlang. Er fand ihn ohne Schwierigkeiten. Er befand sich, wie Mr. Duckworthy gesagt hatte, am Ende einer schmalen Passage und hatte einen hohen Spiegel an der Tür, auf dem in goldenen Lettern der Name Briggs stand. Wimsey betrachtete wenig erfreut sein eigenes Spiegelbild.
    »Dämpfer Nummer eins«, sagte er, während er mechanisch seine Krawatte zurechtzupfte. »Hat man mich nun in den April geschickt? Oder ist das wirklich ein Fall von vierter Dimension? ›Die Tierlein kamen vier zu vier, vive la compagnie! Das Kamel ging nicht durch die Tür.‹ Es hat etwas ausgesprochen Unerfreuliches, sich zum Kamel zu machen. Die Biester kommen tagelang ohne einen Schluck zu trinken aus, und ihre Tischmanieren sind anstößig. Aber es ist nicht zu bezweifeln, daß diese Tür aus Spiegelglas ist. War sie das wohl schon immer? Nur zu, Wimsey, nur zu! Noch eine Rasur ertrage ich heute nicht. Aber vielleicht läßt sich ein Haarschnitt bewerkstelligen.«
    Er stieß die Tür auf, ohne sein Spiegelbild aus dem strengen Auge zu lassen, damit es ihm nur ja keinen Streich spielte.
    Von seiner lebhaften und weitschweifigen Unterhaltung mit dem Friseur verdient nur eine Passage wiedergegeben zu werden.
    »Es ist lange her, daß ich zuletzt hier war«, sagte Wimsey.
    »Bitte kurz hinter den Ohren. Sie haben renoviert, wie?«
    »Ja, Sir. Sieht richtig schick aus, nicht?«
    »Der Spiegel außen an der Tür, ist der auch neu?«
    »O nein, Sir. Der war schon da, als wir hier übernommen haben.«
    »So? Dann ist es noch länger her, als ich dachte. War er vor drei Jahren schon da?«
    »Aber ja, Sir. Mr. Briggs ist schon zehn Jahre hier, Sir.«
    »Und der Spiegel auch?«
    »O ja, Sir.«
    »Dann läßt mich mein Gedächtnis im Stich. Beginnender Altersverfall. ›Alles, alles geht dahin, die trauten Bilder alle.‹ Nein danke, wenn ich grau werde, dann mit Würde. Heute keine Tönung, vielen Dank. Nein, nicht einmal den elektrischen Kamm. Schläge habe ich heute schon genug bekommen.«
    Aber es bereitete ihm Kopfzerbrechen. So sehr, daß er, als er fertig war, die Straße ein paar Schritte zurückging und mit einemmal verdutzt vor der Glastür zu einer Teestube stand. Auch sie befand sich am Ende einer dunklen Passage, und auch auf ihr stand in goldenen Lettern ein Name:
    »Bridgets Teestube«. Aber diese Tür war aus gewöhnlichem Glas. Wimsey betrachtete sie ein paar Augenblicke, dann ging er hinein. Er begab sich aber nicht an einen der Tische, sondern sprach die Kassiererin an, die an einem gläsernen Tischchen gleich hinter der Tür saß.
    Diesmal kam er sofort zur Sache und fragte die junge Dame, ob sie sich an den Vorfall erinnere, wie vor etwa drei Jahren einmal ein Mann da im Türeingang in Ohnmacht gefallen sei.
    Das konnte die Kassiererin nicht sagen. Sie arbeite erst seit drei Monaten hier, aber sie glaube, daß eine der Kellnerinnen es noch wissen könne. Die Kellnerin wurde geholt, und nach einigem Nachdenken glaubte sie sich an so etwas Ähnliches zu erinnern. Wimsey bedankte sich, sagte, er sei Journalist – was anscheinend als Entschuldigung für schrullige Fragen akzeptiert wurde – und verabschiedete sich mit einer halben Krone.
    Sein nächster Besuch galt dem Carmelite-Haus. Wimsey, der in allen Redaktionen der Fleet Street Freunde hatte, gelangte ohne Schwierigkeiten in den Raum, in dem die Fotos archiviert wurden. Das Original des »J. D.«Porträts wurde ihm zur Begutachtung vorgelegt.
    »Ein eigenes?« fragte er.
    »Nein. Das hat uns Scotland Yard geschickt. Warum? Stimmt etwas nicht damit?«
    »Keineswegs. Ich wüßte nur gern den Namen des Fotografen, der das aufgenommen hat.«
    »Ach so. Na, da werden Sie dort mal fragen müssen. Kann ich sonst etwas für Sie tun?«
    »Danke, nein.«
    Bei Scotland Yard ging es leicht. Chefinspektor Parker war Wimseys bester Freund. Seine Erkundigungen brachten den Namen des Fotografen, der unter dem Originalabzug stand, rasch an den Tag. Wimsey machte sich sofort auf die Suche nach dem angegebenen
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