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Kirschenküsse

Kirschenküsse

Titel: Kirschenküsse
Autoren: C Bomann
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Urlaubsnöte
    Ich war schon immer ein Sommerkind.
    Nicht nur wegen meines Geburtstages am 16. August oder meiner rotblonden Haare und der vielen Sommersprossen, die sich wie punktlose Marienkäfer auf meiner Nase drängten. Alles, was mit dem Sommer zu tun hatte, liebte ich. Das Wetter, wenn es schön war, die Blumen, den Geruch nach frisch gemähtem Rasen – und die Kirschen.
    Wahrscheinlich waren sie mir das Liebste an dieser Jahreszeit. Stundenlang könnte ich unter einem Kirschbaum liegen, die Ohren behängt mit Kirschohrringen und im Mund einen Kirschkern, den ich irgendwann mit einem kräftigen Schuss in die Gegend beförderte.
    Als ausgemachtes Sommerkind freute ich mich natürlich immer auf den Sommer, doch in diesem Jahr gab es einiges, was mir die Vorfreude auf die Ferien verdarb. Vor ein paar Wochen wurde mein Vater nämlich arbeitslos, sein Werk hatte urplötzlich geschlossen. Das riss ein derart großes Loch in unsere Haushaltskasse, dass an Urlaub nicht zu denken war.
    Mama hatte zunächst an unseren Urlaubsplänen festgehalten. Nach Mallorca hatte es ursprünglich gehen sollen. Doch drei Tage und einen Streit später wurde alles fallen gelassen. Mama – die wusste, wie sehr ich mich auf den Urlaub gefreut hatte − versuchte noch, mich bei Laune zu halten. Natürlich würden wir in den Urlaub fahren, hier- und dorthin, und »uns was anschauen«. Vielleicht auch einen Tag an die Ostsee. Am Strand dort würde es doch auch ganz nett sein!
    Nun war ich kein kleines Kind mehr, das nicht verstand, wie die Welt lief. Mein 15. Geburtstag stand vor der Tür, seit zwei Jahren ging ich aufs Gymnasium und mein Busenwachstum war nicht mehr zu stoppen.
    Trotzdem wanderten meine Mundwinkel enttäuscht nach unten. Der Urlaub war die einzige Möglichkeit, mal aus unserer Kleinstadt rauszukommen. Leute von außerhalb denken vielleicht, die Stadt sei toll, so klein, niedlich und erholsam, aber wenn man sie jeden Tag sah, wurde es doch schnell langweilig. Ringsherum gab es nichts als Felder und Windräder.
    Na gut, das ist vielleicht ungerecht. Eigentlich mochte ich die kleine Stadt und ich liebte auch den Garten mit unserem Kirschbaum. Aber ich wollte nicht den ganzen Sommer hier verbringen, während andere an Traumstränden planschten.
    Da kam der Zettel, den ich auf dem Weg zu meinem Klassenzimmer am Aushang entdeckte, gerade recht.
    »Bewirb dich fürs Sommercamp!«, strahlten mich die dicken roten Letter förmlich an und bewirkten, dass ich sofort stehen blieb. Eigentlich war so ein Aushang nichts Besonderes, in regelmäßigen Abständen wurden Anzeigen für Ferienlager ans Schwarze Brett geheftet. Doch an diesem Zettel war etwas anders.

    Ein Mode-Sommercamp! Ich war von den Socken. Das wäre genau das Richtige für mich! Schon lange träumte ich davon, nach dem Abi an eine Modeschule zu gehen und Kleider zu entwerfen. In meiner Schreibtischschublade türmten sich die Entwürfe von Klamotten und mittlerweile versuchte ich mich auch im Nähen. Meine Werke waren zwar noch nicht gut genug dafür, dass ich sie jemandem zeigen konnte − auch meine beste Freundin Mona wusste nichts davon. Aber im Sommercamp wäre das egal, denn dort würde ich es richtig lernen. Außerdem waren dort bestimmt nur solche Freaks wie ich, da bräuchte ich keine Angst zu haben, von irgendjemandem ausgelacht zu werden.
    Aber wie viel würde das kosten?
    Entmutigt ließ ich die Schultern sinken. Für einen kurzen Moment hatte ich nicht an unsere Geldprobleme gedacht. Wenn meine Eltern etwas dafür bezahlen müssten, konnte ich es vergessen.
    Dennoch ließ mich der Flyer nicht los. Ich nahm mir einen von dem Stapel, der unter dem Schwarzen Brett auf dem Tisch lag, und suchte nach weiteren Infos. Auf der Rückseite stand, dass der Workshop auf einem Schloss stattfinden würde. Ein echtes Schloss? Wahnsinn! Ich hatte schon immer mal in einem Schloss wohnen und nachschauen wollen, ob dort Schlossgeister hausten. Bei all dem, was Ritter und Grafen früher so angestellt hatten, wäre das doch kein Wunder, oder? Und die Kleider, die die Frauen damals getragen hatten! Im Museum blieb ich immer vor den Prinzessinnen mit ihren riesigen Reifröcken und den weiten Spitzenärmeln hängen. Solch ein Kleid würde ich mir gern mal nähen!
    »He, Sina, pick mit deinem langen Zinken nicht in die Wand!«, rief plötzlich jemand unter dem Gelächter anderer Jungen. Vor lauter Aufregung über das Sommercamp hatte ich gar nicht bemerkt, dass Norman aus der
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