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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Er mußte sich förmlich Gewalt antun, um jetzt nicht loszurennen, sondern seine Fracht langsam und vorsichtig den schmalen Weg entlangzuschieben. Er sah nicht besonders gut, wagte aber auch nicht, die Taschenlampe allzuoft anzuknipsen. Jedes Abweichen vom Weg auf den Rasen konnte verhängnisvoll sein; er biß die Zähne zusammen und starrte unentwegt vor sich auf den Weg. Dabei hatte er das Gefühl, wenn er sich umschaute, würde er die oberen Fenster voller weißer Gesichter sehen. Der Drang, den Kopf zu wenden, war fast unwiderstehlich, aber er nahm sich fest vor, es nicht zu tun.
    Endlich bog er um die Fliederbüsche herum und war vom Haus aus nicht mehr zu sehen. Der Schweiß lief ihm übers Gesicht, und dabei lag der heikelste Teil seiner Aufgabe noch vor ihm. Und wenn ihn dabei der Herzschlag traf, er mußte die Leiche über die Rasenfläche tragen. Die Polizei durfte weder Rad- noch Fuß- noch Schleifspuren finden. Er holte einmal tief Luft.
    Es war geschafft. Goochs Leiche lag neben dem Springbrunnen, der Kopf mit der zertrümmerten Stelle genau auf dem steinernen Beckenrand, eine Hand im Wasser, die übrigen Glieder so natürlich wie möglich angeordnet, um den Eindruck zu erwecken, daß der Mann gestrauchelt und hingefallen war. Der Gischt der im Nachtwind hin und her schwankenden Fontäne spritzte den ganzen Körper von Kopf bis Fuß naß. Mr. Spiller betrachtete sein Werk und sah, daß es gut war. Der Rückweg mit dem leeren Rollstuhl war ein Kinderspiel. Nachdem er das Gefährt wieder in den Schuppen gestellt hatte und zum letztenmal durch die Terrassentür ins Haus gegangen war, fühlte er sich, als ob ihm die Last von Jahren vom Rücken gewälzt worden wäre.
    Sein Rücken! Er hatte daran gedacht, den Smoking auszuziehen, bevor er sich unter die sprühende Fontäne begab, und so war nur sein Hemd naß geworden. Er konnte es in den Wäschekorb tun, aber das Gesäß seiner Hose bereitete ihm Kopfzerbrechen. Er trocknete sich, so gut es ging, mit einem Taschentuch ab, dann rechnete er. Wenn er die Fontäne etwa eine Stunde lang laufen ließ, mußte sie seines Erachtens die gewünschte Wirkung erzielen. Er kämpfte seine Ungeduld nieder, setzte sich hin und schenkte sich einen letzten Kognak ein.
    Um ein Uhr erhob er sich, stellte die Fontäne ab, machte das Bibliotheksfenster nicht lauter und nicht leiser als üblich zu und ging mit sicheren Schritten in sein Schlafzimmer hinauf.
    Inspektor Frampton war zu Mr. Spillers Freude ein hochintelligenter Beamter. Er nahm die Stichworte, die ihm zugeworfen wurden, so eifrig auf wie ein wohlerzogener Terrier. Der Tote war zuletzt nach dem Abendessen von Masters lebend gesehen worden – etwa um halb neun. Danach hatten die übrigen bis halb elf zusammen Bridge gespielt. Mr. Spiller hatte dann Mrs. Digby nach Hause begleitet. Kurz nachdem er gegangen war, hatte Masters den Springbrunnen abgestellt. Mr. Proudfoot war um zwanzig vor elf gegangen, und Miss Spiller und die Mädchen hatten sich zu Bett begeben. Mr. Spiller war so um Viertel oder zehn vor elf herum zurückgekommen und hatte sich nach Mr. Gooch erkundigt. Dann war Masters zur Garage hinübergegangen und hatte es Mr. Spiller überlassen, das Haus abzuschließen. Später war Mr. Spiller den Garten hinuntergegangen, um nach Mr. Gooch zu sehen. Er war nur bis zu den Fliederbüschen gegangen und hatte dort nach ihm gerufen, und als er keine Antwort bekam, hatte er angenommen, daß sein Gast bereits ins Haus zurückgekehrt und zu Bett gegangen sei. Das Hausmädchen glaubte, ihn nach Mr. Gooch rufen gehört zu haben. Die Zeit dafür schätzte sie auf etwa halb zwölf – später ganz bestimmt nicht. Mr. Spiller hatte danach noch bis ein Uhr lesend in der Bibliothek gesessen, dann hatte er das Fenster geschlossen und sich ebenfalls zu Bett begeben.
    Als der Gärtner morgens um halb sieben die Leiche gefunden hatte, war sie noch vom Sprühwasser der Fontäne, das auch den Rasen unter ihr aufgeweicht hatte, ganz durchnäßt gewesen. Da der Springbrunnen um halb elf abgestellt worden war, bedeutete dies, daß Gooch um diese Zeit schon eine geraume Weile tot dort gelegen haben mußte. In Anbetracht des vielen Whiskys, den er getrunken hatte, war anzunehmen, daß er entweder einen Herzanfall erlitten hatte oder in seiner Trunkenheit gestrauchelt und hingefallen und mit dem Kopf auf den Beckenrand geschlagen war. Nach all diesen Überlegungen mußte der Todeszeitpunkt zwischen halb zehn und zehn Uhr angenommen werden
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