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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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wußte wenig über ihn, nur daß er hin und wieder in »The Pleasaunce« zu Besuch aufkreuzte, meist einen Monat blieb und offenbar keinen Geldmangel litt. Sie hatte irgendwie den Eindruck, daß er so etwas wie ein Kommissionsagent war, obschon sie sich nicht erinnern konnte, daß darüber einmal direkt gesprochen worden war. Mr. Spiller hatte sich vor drei Jahren in diesem Dorf angesiedelt, und sie hatte ihn immer gern gemocht. Zwar konnte man ihn beim besten Willen nicht als kultivierten Menschen bezeichnen, aber er war freundlich, großzügig und bescheiden, und seine Liebe zu Betty hatte ihrerseits etwas sehr Liebenswertes. Mr. Goochs Besuche hatten etwa ein Jahr später begonnen. Mrs. Digby dachte bei sich, wenn sie je in die Lage käme, in »The Pleasaunce« etwas zu sagen zu haben – und sie fand allmählich, daß die Dinge sich in eine solche Richtung entwickelten –, würde sie ihren Einfluß geltend machen, um Mr. Gooch die Tür zu weisen.
    »Wie wär’s mit einer Runde Bridge?« schlug Ronald Proudfoot vor, nachdem der Kaffee serviert war. Es war so schön, fand Mrs. Digby, den Kaffee von einem Diener serviert zu bekommen. Masters war wirklich ein bestens erzogener Butler, obwohl ihm nebenbei auch noch die Aufgabe eines Chauffeurs zufiel. In »The Pleasaunce« könnte man sich schon wohl fühlen. Aus dem Eßzimmerfenster sah man auf die ebenerdige Garage, die den Wolseley beherbergte, mit einem Zimmer für den Chauffeur darüber und einer vergoldeten Wetterfahne obendrauf, die in den letzten Sonnenstrahlen funkelte. Eine gute Köchin, ein tüchtiges Dienstmädchen und alle Arbeiten so erledigt, wie man es sich wünschte – sollte sie Mr. Spiller heiraten, könnte sie sich zum erstenmal in ihrem Leben obendrein noch eine persönliche Zofe leisten. Platz wäre genug im Haus, und gewiß, wenn Betty erst verheiratet wäre – Sie hatte den Eindruck, daß Betty von Ronalds Vorschlag, Bridge zu spielen, nicht sonderlich erbaut war. Bridge war kein Spiel, das sich besonders gut zum Ausdruck zärtlicher Gefühle eignete, und vielleicht hätte es besser ausgesehen, wenn Ronald Betty aufgefordert hätte, nach draußen zu gehen und noch ein wenig in der fliederduftenden Dämmerung unter der Eibenhecke beim Springbrunnen zu sitzen. Mrs. Digby fürchtete manchmal, daß Betty die verliebtere von beiden war. Aber wenn Ronald sich etwas wünschte, mußte er es natürlich bekommen, und Mrs. Digby selbst hätte sich nichts Schöneres wünschen können als eine ruhige Bridgerunde. Das hatte außerdem den Vorzug, daß sie Mr. Gooch loswurden. »Ich spiele kein Bridge«, pflegte Mr. Gooch zu sagen. »Hab nie Zeit gehabt, so was zu lernen. Wo ich aufgewachsen bin, da spielte man kein Bridge.« Diese Bemerkung kam auch jetzt, gefolgt von einem verächtlichen Schnauben, das Mr. Spiller galt.
    »Zum Lernen ist es nie zu spät«, sagte dieser friedfertig.
    »Ohne mich!« versetzte Mr. Gooch. »Ich mach noch ’ne Runde durch den Garten. Wo ist dieser Masters? Sag dem Kerl, er soll mir den Whisky zum Springbrunnen bringen. Aber die Karaffe, verstanden? Ein Glas ist was für kleine Kinder.« Er fuhr mit seiner dicken Hand in die Zigarrenkiste auf dem Beistelltischchen, nahm eine Handvoll Coronas heraus und ging durch die Glastür, die aus der Bibliothek auf die Terrasse führte, hinaus. Mr. Spiller läutete und gab die Anweisung kommentarlos weiter, und wenig später sahen sie Masters mit Karaffe und Sodasiphon auf einem Tablett den Gartenweg hinuntergehen.
    Die andern spielten Bridge, und als gegen halb elf gerade eine Runde zu Ende war, erhob sich Mrs. Digby mit den Worten, daß es für sie Zeit zum Nachhausegehen sei. Ihr Gastgeber bot ihr galant seine Begleitung an. »Die beiden jungen Leute können ja mal einen Moment auf sich selbst aufpassen«, ergänzte er mit einem Verschwörerlächeln.
    »Das können die jungen Leute heutzutage besser als die alten.« Sie lachte geziert und erhob keine Einwände, als Mr. Spiller auf dem Weg zu ihrem Haus, das nur ein paar hundert Meter entfernt stand, ihre Hand nahm und unter seinen Arm schob. Einen Moment überlegte sie dann, ob sie ihn noch zu sich hereinbitten sollte, fand dann aber, daß scheue Zurückhaltung ihr vielleicht doch besser anstand. Also reichte sie ihm über das weiße Gartentörchen hinweg eine weiche, beringte Hand. Er hielt die Hand ein wenig länger als nötig in der seinen – er hätte sich auch darübergebeugt und sie geküßt, so betörend war der Duft des Rot-
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