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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Sie wohl etwas mitgenommen. Schon gut, schon gut.«
    »Aber ich will Anzeige gegen ihn erstatten«, sagte Pender.
    »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte der Polizist.
    »Ich sage Ihnen«, widersprach Pender, »daß dieser Smith versucht hat, mich zu vergiften. Er ist ein Mörder. Er hat schon Dutzende von Menschen vergiftet.«
    Der Polizist zwinkerte Smith zu.
    »Am besten, Sie fahren los, Sir«, sagte er. »Ich erledige das hier schon. So, mein Junge –« er hielt Pender fest bei den Armen gepackt – »Sie verhalten sich jetzt mal ganz schön still und hören ruhig zu. Dieser Herr heißt nicht Smith und auch nicht so ähnlich. Sie haben sich da ganz schön geirrt.«
    »So, und wie heißt er?« verlangte Pender zu wissen.
    »Das tut nichts zur Sache«, antwortete der Konstabler.
    »Lassen Sie ihn lieber in Ruhe, sonst bekommen Sie noch Ärger.«
    Das Taxi war weggefahren. Pender sah in die amüsierten Gesichter ringsum und gab sich geschlagen.
    »Na schön, Konstabler«, sagte er. »Ich will Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Ich gehe mit Ihnen zur Wache und erzähle Ihnen dort alles.«
    »Was halten Sie denn von dem?« fragte der Inspektor seinen Sergeanten, nachdem Pender aus der Polizeiwache gewankt war.
    »’nen ganzen Satz Schrauben locker, wenn Sie mich fragen«, antwortete sein Untergebener. »Muß eine von diesen fixen Ideen haben, von denen soviel die Rede ist.«
    »Hm!« machte der Inspektor. »Na ja, wir haben seine Adresse. Notieren Sie sich die mal. Könnte sein, daß er uns mal wieder über den Weg läuft. Die Leute vergiften, so daß sie im Bad sterben – ha! Der Witz ist gut. Herrlich, auf was diese Käuze alles kommen, wie?«
    Es war ein häßlicher Frühling in diesem Jahr – kalt und neblig. Als Pender eine Gerichtsuntersuchung in Deptford besuchte, war es März, aber über dem Fluß lag eine Nebeldecke wie im November. Die Kälte drang einem bis auf die Knochen. Pender, der in dem schäbigen kleinen Verhandlungssaal saß, konnte durch das gelbe Zwielicht aus Gasbeleuchtung und Nebel kaum die Zeugen sehen, die vor den Richtertisch traten. Die Zuhörer schienen alle auf einmal zu husten. Auch Pender hustete. Seine Knochen schmerzten, und er hatte das Gefühl, als würde er bald mit einer Grippe daliegen.
    Als er einmal seine Augen anstrengte, glaubte er auf der anderen Seite des Saals ein Gesicht zu erkennen, doch der beißende Nebel, der durch alle Ritzen drang, reizte seine Augen und blendete ihn. Er faßte in seine Manteltasche, und seine Hand schloß sich zufrieden um etwas Dickes, Schweres. Seit jenem Tag in Lincoln trug er zu seinem Schutz immer diese Waffe bei sich. Keinen Revolver – auf Schußwaffen verstand er sich nicht. Ein Sandsack war viel besser. Er hatte ihn einem alten Mann mit Schubkarre abgekauft. Es war so ein Ding zum Abdichten der Türritzen gegen Luftzug – schön altmodisch und nützlich.
    Das Gericht fällte seinen unausbleiblichen Spruch. Die Zuhörer begannen aus dem Saal zu drängen. Pender mußte sich jetzt beeilen, um seinen Mann nicht aus den Augen zu verlieren. Er kämpfte sich, Entschuldigungen murmelnd, mit den Ellbogen durch die Menge. An der Tür war er mit dem Mann fast auf Tuchfühlung, aber eine dicke Frau drängte sich dazwischen. Er stürzte an ihr vorbei, und sie gab einen kleinen Protestschrei von sich. Der Mann vor ihm wandte den Kopf um, und das Licht über der Tür spiegelte sich in seinen Brillengläsern.
    Pender zog sich den Hut tiefer ins Gesicht und folgte ihm. Seine Schuhe hatten Kreppsohlen und machten auf dem nassen Pflaster kein Geräusch. Der Mann ging eiligen Schrittes weiter, die eine Straße hinauf und die andere hinunter, ohne sich einmal umzusehen. Der Nebel war so dicht, daß Pender gezwungen war, auf wenige Schritte an ihm dranzubleiben. Wohin wollte er? In die beleuchteten Straßen? Mit Bus oder Straßenbahn nach Hause? Nein! Er wandte sich nach links und bog in ein schmales Gäßchen ein.
    Hier war der Nebel noch dichter. Pender sah sein Opfer nicht mehr, aber er hörte seine Schritte in gleichbleibendem Rhythmus vor sich. Er hatte das Gefühl, sie beide seien ganz allein auf der Welt – Verfolgter und Verfolger
    – Mörder und Rächer. Die Straße bekam jetzt ein stärkeres Gefälle. Sie mußte irgendwo am Fluß enden.
    Plötzlich waren die undeutlichen Konturen der Häuser auf beiden Seiten verschwunden. Sie befanden sich auf einem freien Platz, in dessen Mitte eine Laterne brannte, die man kaum sah. Pender,
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