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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Butlers mit dem Toten so, als ob er noch lebte. Man nahm seine Stimme auf Schallplatte auf und spielte diese ab. Man versteckte die Leiche und schickte dann von irgendwo weither einen gefälschten Brief – Er hielt einen Augenblick inne. Fälschung – aber mit diesem Spielchen wollte er nicht wieder von vorn anfangen.
    Und alle diese Möglichkeiten waren viel zu kompliziert oder um diese nachtschlafende Zeit aus anderen Gründen undurchführbar.
    Und dann sah er auf einmal, wie dumm er gewesen war. Man mußte Gooch nicht später, sondern früher sterben lassen! Er mußte vor halb elf sterben, zu einer Zeit, als er, Spiller, noch mit drei Zeugen beim Bridge gesessen hatte.
    Soweit war dieser Gedanke vernünftig, in seinen groben Zügen sogar naheliegend. Aber nun ging es ans Detail. Wie konnte er die Todeszeit arrangieren? Gab es irgend etwas, was um halb elf geschehen war?
    Er goß sich noch einen Kognak ein, und dann sah er auf einmal seinen ganzen Plan wie von einem Flutlicht erhellt vor sich – klar, vollständig und in jeder Beziehung perfekt.
    Er sah auf die Uhr. Die Zeiger standen auf zwanzig nach elf. Er hatte die ganze Nacht vor sich.
    Er holte sich eine Taschenlampe aus der Diele und trat kühn durch die Glastür auf die Terrasse. Neben der Tür ragten zwei Wasserhähne aus der Hauswand, einer für den Gartenschlauch, der andere für den Springbrunnen am anderen Ende des Gartens. Letzteren drehte er auf, dann folgte er, ohne seine Schritte zu dämpfen, dem Steinweg zu der Fliederhecke und um das Steinquittenbeet herum. Trotz der Schönheit der frühen Nachtstunde war der Himmel inzwischen sehr dunkel geworden, und er sah kaum die hohe Säule hellen Wassers über den dunklen Büschen, doch er hörte das tröstliche Plätschern, und als er auf den Rasen trat, fühlte er die feinen Sprühwassertröpfchen auf dem Gesicht. Der Strahl seiner Taschenlampe zeigte ihm die Bank unter den Eiben und, wie er erwartet hatte, das Tablett darauf. Die Whiskykaraffe war noch halb voll. Er leerte den größeren Teil ihres Inhalts in das Bassin, wobei er den Karaffenhals mit seinem Taschentuch umwickelte, um keine Fingerabdrücke darauf zu hinterlassen. Dann begab er sich hinter die Fliederbüsche und stellte zufrieden fest, daß die Fontäne vom Haus oder Garten aus nicht zu sehen war.
    Auf seine nächste Aufgabe hätte er verzichten können. Sie war riskant; jemand konnte ihn hören; im Grunde wollte er ja für den Notfall gehört werden – aber ein Risiko war dabei. Er leckte sich über die trockenen Lippen und rief laut den Namen des Toten:
    »Gooch! Gooch!«
    Keine Antwort, nur das Plätschern des Springbrunnens, das ihm in der Stille unnatürlich laut in den Ohren klang. Er schaute um sich, fast als erwarte er, daß der Tote drohend aus der Dunkelheit auf ihn zukäme, mit hängendem Kopf und offenem Mund, so daß man den bleichen Schimmer des Gebisses sah. Dann aber nahm er sich zusammen und ging forschen Schrittes den Weg zurück, und als er wieder ins Haus kam, blieb er lauschend stehen. Keine Bewegung, kein Laut, nur das Ticken der Uhr. Leise schloß er die Tür der Bibliothek. Von jetzt an durfte er keinen Lärm mehr machen.
    In der Garderobe neben dem Anrichtezimmer fand er ein Paar Galoschen. Er zog sie an und huschte wie ein Schatten wieder durch die Terrassentür hinaus, dann ums Haus herum auf den Hof. Er sah zu dem Fenster über der Garage empor. Kein Licht im oberen Stockwerk, und er seufzte erleichtert auf, denn Masters war manchmal noch lange wach. Mr. Spiller schlich zu einem Schuppen und knipste die Taschenlampe an. Seine Frau war in den letzten Jahren ihres Lebens krank gewesen, und er hatte ihren Rollstuhl mit nach »The Pleasaunce« gebracht, weil er sich in einem Anflug von Sentimentalität nicht davon hatte trennen können. Jetzt war er froh darum; froh auch, daß er ihn in einem guten Spezialgeschäft gekauft hatte und daß er so leicht und lautlos auf den Gummireifen lief. Er holte die Fahrradpumpe und pumpte die Reifen hart auf, dann trug er da und dort noch vorsichtshalber ein paar Tropfen Öl auf. Schließlich schob er den Rollstuhl unendlich vorsichtig zur Terrassentür. Welch ein Glück, daß er überall Steinplatten verlegt hatte, so daß nun nirgends Radspuren zurückblieben.
    Die Leiche nach draußen in den Rollstuhl zu schaffen, erforderte seine letzten Kräfte. Gooch war ein schwergewichtiger Mann gewesen, und er selbst war nicht bei bester Kondition. Aber schließlich war es geschafft.
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