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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
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mehr so große Summen verlangst, denn da hält mein Einkommen nicht mit.«
    »Oh, das kann ich dir gern versprechen«, pflichtete Mr. Gooch ihm fröhlich bei. »Gib mir fünftausend auf die Hand –«
    Mr. Spiller stieß einen erstickten Schrei aus.
    »Fünftausend? Was glaubst du, wie ich auf einen Schlag fünftausend Pfund locker machen soll? Sei kein Narr, Sam. Ich gebe dir einen Scheck über fünfhundert –«
    »Fünftausend«, beharrte Mr. Gooch, »sonst geht die Bombe hoch.«
    »Aber die habe ich nicht«, begehrte Mr. Spiller auf.
    »Dann sieh zu, daß du sie auftreibst«, versetzte Mr. Gooch.
    »Und was glaubst du, wo ich die herkriegen soll?«
    »Das ist deine Sache. Du solltest nicht auf so großem Fuß leben – gutes Geld, das du mir geben solltest, für Springbrunnen und so’n Zeug ausgeben. Jetzt hilft kein Zappeln mehr, hochverehrte Nummer 4132 – ich hab hier das Sagen, mein Junge, und wenn du nicht ordentlich für mich sorgst, bist du dran. Verstanden?«
    Mr. Spiller hatte nur zu gut verstanden. Er verstand, was er schon vor einiger Zeit verstanden hatte: daß sein Freund Gooch ihn in der Hand hatte. Er versuchte sich noch einmal halbherzig aufzulehnen, und Gooch antwortete mit einem Lachen und einer beleidigenden Bemerkung über Mrs. Digby.
    Mr. Spiller war sich nicht bewußt, sehr hart zugeschlagen zu haben. Er war sich kaum bewußt, daß er überhaupt zugeschlagen hatte. Er meinte, er hätte zum Schlag ausgeholt und Gooch sei ausgewichen und über ein Tischbein gestolpert. Aber so richtig klar war ihm gar nichts, außer einem: Gooch war tot.
    Er war nicht ohnmächtig; er war nicht betäubt. Er war tot. Er mußte im Fallen gegen die Messingleiste des Kaminvorsetzers geschlagen sein. Blut war keines zu sehen, doch Mr. Spiller, der den leblosen Kopf mit bangen Fingern abtastete, fand eine Stelle oberhalb der Schläfe, wo der Schädelknochen nachgab wie eine zerbrochene Eierschale. Der Sturz hatte geklungen wie ein Donnerschlag. Und während Mr. Spiller so auf dem Boden der Bibliothek kniete, wartete er auf den unausbleiblichen Schrei und die Schritte von oben.
    Nichts geschah. Er erinnerte sich – unter Schwierigkeiten, denn sein Verstand schien sehr langsam und widerstrebend zu arbeiten –, daß sich über der Bibliothek nur der langgestreckte Salon befand und darüber das Gästezimmer und das Bad. Auf dieser Seite des Hauses war kein bewohntes Zimmer mehr.
    Ein langsames knirschendes und knarrendes Geräusch erschreckte ihn. Er fuhr schnell herum. Die alte Großvateruhr hob ächzend den Klöppel und schlug elf. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, stand auf und schenkte sich noch einen großen Kognak ein.
    Der Alkohol tat ihm gut. Er schien den Bremsklotz von seinem Gehirn abzuziehen, so daß die Räder sich endlich frei drehen konnten. Eine außergewöhnliche Klarsicht löste die vorherige Benommenheit ab.
    Er hatte Gooch ermordet. Das war zwar nicht direkt seine Absicht gewesen, aber er hatte es getan. Ihm selbst war es nicht wie Mord vorgekommen, aber es gab nicht den geringsten Zweifel, wie die Polizei den Fall betrachten würde. Und wenn er erst einmal in den Händen der Polizei war – Mr. Spiller schauderte. Mit Sicherheit würden sie seine Fingerabdrücke nehmen wollen, und dabei würden sie dann ein paar alten Bekannten begegnen.
    Masters hatte ihn sagen hören, daß er aufbleiben und auf Gooch warten würde. Masters wußte, daß alle andern zu Bett gegangen waren. Masters würde sich ohne Zweifel sein Teil denken. Aber halt!
    Konnte Masters beweisen, daß er selbst zu Bett gegangen war? Wahrscheinlich ja. Jemand hatte ihn sicher über den Hof gehen hören und das Licht über der Garage angehen sehen. Daß man den Verdacht auf Masters lenken könnte, war nicht zu erwarten – außerdem hatte der Mann das wohl nicht verdient. Aber allein der Gedanke hatte Mr. Spillers Verstand auf eine neue und diesmal verlokkende Spur gesetzt.
    Was er im Grunde brauchte, war ein Alibi. Wenn er die Polizei nur hinsichtlich des Zeitpunkts täuschen könnte, zu dem Gooch gestorben war! Wenn man den Anschein erwecken könnte, daß Gooch zu einem Zeitpunkt noch lebte, als er in Wirklichkeit schon tot war … irgendwie …
    Er versuchte an solche Geschichten zu denken, wie er sie manchmal im Urlaub gelesen hatte und die sich genau mit dieser Frage auseinandersetzten. Man zog sich die Kleider des Toten an und trat als er auf. Man führte Telefongespräche unter seinem Namen. Man redete in Hörweite des
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