Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
ungeborenes Baby, was ich in dieser Nacht angestellt hatte. Aber es hat mich schon furchtbar aufgeregt, denn ich war doch damals ein unschuldiger Jüngling und hatte noch nie etwas mit einem Mädchen gehabt, und darum meinte ich auch, wenn ich so etwas getan hätte, müßte ich doch davon wissen. So hatte ich das Gefühl, etwas Unrechtes getan und für mein Geld nicht einmal den vollen Gegenwert bekommen zu haben.
    Ich wimmelte sie mit ein paar Ausflüchten ab und zerbrach mir den Kopf darüber, was ich sonst noch alles angestellt haben mochte. Sie hatte mir über den Morgen des neunundzwanzigsten hinaus auch nichts sagen können, und die Vorstellung, daß ich womöglich noch andere sonderbare Sachen getrieben hatte, beunruhigte mich ein bißchen.«
    »Das glaube ich gern«, sagte Wimsey und drückte auf den Klingelknopf. Als der Kellner kam, bestellte Wimsey für sie beide etwas zu trinken und richtete sich darauf ein, Mr. Duckworthys Abenteuer zu Ende anzuhören.
    »Viele Gedanken habe ich mir dann aber doch nicht mehr darüber gemacht«, fuhr der kleine Mann fort. »Wir wurden an die Front geschickt, und ich bekam meinen ersten Toten zu sehen, ging vor meiner ersten Granate in Deckung und bekam den ersten Vorgeschmack vom Grabenkrieg; da hatte ich für die sogenannte Selbstbeobachtung nicht mehr viel Zeit.
    Die nächste komische Sache passierte dann im Feldlazarett in Ypern. Ich hatte im September bei Caudry während der Cambrai-Offensive ein schlimmes Ding erwischt – war bei einer Minenexplosion halb verschüttet worden und muß fast vierundzwanzig Stunden bewußtlos dagelegen haben. Als ich zu mir kam, lief ich irgendwo hinter der Front herum und hatte ein böses Loch in der Schulter. Irgendwer hatte es mir verbunden, aber daran hatte ich gar keine Erinnerung. Ich irrte lange umher, ohne zu wissen, wo ich war, bis ich schließlich auf einem Verbandsplatz landete. Dort flickten sie mich zusammen und schickten mich weiter ins nächste Lazarett. Ich hatte ziemlich hohes Fieber und weiß als nächstes erst wieder, daß ich im Bett lag und eine Krankenschwester sich um mich kümmerte. Der Kerl im Bett nebenan schlief. Ich fing ein Gespräch mit dem im übernächsten Bett an, und der sagte mir, wo ich war. Plötzlich wachte der andere auf und sagte:
    ›Mein Gott, bist du’s wirklich, du rothaariges Dreckschwein? Was hast du mit meinen Sachen gemacht?‹
    Ich sage Ihnen, das war wie ein Schlag vor den Kopf. Ich hatte den Mann mein Lebtag noch nicht gesehen. Aber er schimpfte weiter auf mich ein und machte einen solchen Krach, daß die Schwester kam, um nachzusehen, was da los war. Die andern Männer hatten sich in ihren Betten aufgesetzt und spitzten die Ohren – so etwas hatte die Welt noch nicht erlebt.
    Was ich von dem Geschimpfe schließlich mitbekam, war in Kürze dies: Er hatte mit jemandem, von dem er behauptete, ich wär’s gewesen, in einem Bombentrichter gelegen, und die beiden hatten eine Weile miteinander geredet, und als er dann schwach und hilflos war, hatte der andere ihm seine Uhr, Geld, Revolver und was sonst noch alles weggenommen und war damit abgehauen. Eine richtige Gemeinheit war das, und ich hätte ihm nicht verdenken können, daß er so einen Wirbel darum machte, wenn es gestimmt hätte. So aber sagte ich mit Nachdruck, daß ich das nicht gewesen sei, sondern jemand anders mit meinem Namen. Er sagte, er erkenne mich wieder – er und der andere hätten einen ganzen Tag zusammen dagelegen, und er kenne jeden einzelnen Gesichtszug von dem andern und könne sich nicht irren. Anscheinend hatte der Kerl ihm aber gesagt, er gehöre zu den Blankshires, während ich anhand meiner Papiere nachweisen konnte, daß ich zu den Buffs gehörte, und schließlich entschuldigte er sich und sagte, daß er sich geirrt haben müsse. Er starb dann sowieso ein paar Tage später, und wir waren uns alle einig, daß er wohl ein bißchen phantasiert haben mußte. Die beiden Divisionen kämpften in dieser Schlacht Seite an Seite, und es war gut möglich, daß sie ein bißchen durcheinandergeraten waren. Ich versuchte hinterher herauszubekommen, ob ich womöglich einen Doppelgänger bei den Blankshires hatte, aber dann wurde ich nach Hause geschickt, und bevor ich mich wieder ganz hochgerappelt hatte, war der Waffenstillstand unterzeichnet, und danach habe ich mich dann nicht mehr bemüht.
    Nach dem Krieg kehrte ich an meinen alten Arbeitsplatz zurück, und alles schien sich ziemlich einzurenken. Mit einundzwanzig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher