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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Frayn
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muss er nun erkennen, und es ist mehr als nur wahrscheinlich, dass sie jetzt arbeiten wird, wie Newton, Einstein und der echte Dr. Norman Wilfred es sich wünschen. Jeder Ursache, und diese Beobachtung findet er sicher sehr instruktiv, folgt auf der Ferse wie ein gehorsamer Hund eine Wirkung, jede Wirkung erkennt dankbar eine Ursache als ihr legitimes Herrchen an. Es gibt keinen Platz für irgendwelche lächerlichen spontanen Interventionen.
    Klick klack. Klack klick. Wenn man nur die anfänglichen Bedingungen ganz verstanden hätte und Rückblick Vorausblick gewesen wäre, hätte man die ganze Folge der Ereignisse rechtzeitig vorhersagen können, um sie in Newtons Prinzipien oder in die Offenbarung des Johannes mit aufzunehmen.
    Aber …
    Aber in dem Augenblick, bevor Georgie winkt und endlich dieses gut vorbereitete Szenario unaufhaltsam in Gang setzt, geschieht etwas, was es aufhält, noch bevor es begonnen hat. Es handelt sich um ein von allem anderen völlig losgelöstes und unwichtiges Ereignis. Eine Belanglosigkeit, ein flüchtiger Gedanke in irgendeinem Kopf, eine Anwandlung aus dem Nirgendwo ohne vorstellbare Bedeutung oder denkbaren Platz in einer Kausalkette, die etwas auf sich hält.
    Einer der Gäste, Scheich Abdul hilal bin-Taimour bin-Hamud bin-Ali al-Said – jemand, der keinen Grund zu Klagen hat, niemanden verdächtigt und gegen niemanden Pläne schmiedet – bemerkt zufällig auf dem Teller mit den Petits Fours vor sich auf dem Tisch einen einzelnen übriggebliebenen Würfel Türkischen Honigs. Er mag Türkischen Honig nicht besonders, aber (wie er später bei der amtlichen Untersuchung des Unglücks erklärt) der Anblick eines einzelnen Stücks Türkischen Honigs auf dem Teller hat etwas Unbefriedigendes, das sich mit der natürlichen Ordnung der Dinge nicht verträgt. Deswegen greift er müßig hin, um es zu nehmen. Und während der nächsten paar Sekunden schlittert die Welt von dem Kurs, der so sorgfältig und ausgeklügelt für sie vorbereitet worden war.
    Während er nach dem Türkischen Honig greift, neigt sich der Scheich über eine Kerze. Es entwickelt sich Brandgeruch, und als er sich den klebrigen Würfel in den Mund gesteckt und zwischen Zunge und Gaumen zerdrückt hat, steht sein Gewand in Flammen. Die Menschen um ihn herum springen erschrocken auf. Stühle fallen um. Eine Stimme, von der Untersuchungskommission später als die von Suki Brox oder die von Darling Erlunder identifiziert, schreit: »Feuer!«
    Woraufhin jemand feuert.
    Zuerst ist es nur ein einzelner Knall, aus der Dunkelheit irgendwo hinter dem Redner, wahrscheinlich von einem von Mr. Papadopulous Sicherheitsleuten, und worauf genau er zu feuern glaubt, ist schwer zu sagen; doch sofort folgt ein zweiter Knall, höchstwahrscheinlich von Mr. Skorbatows Leuten, die zurückfeuern, woraufhin allgemein gefeuert wird, und eine Weile lang verhindert der Lärm der Schüsse und Schreie jegliche Möglichkeit rationaler Reaktion auf die Ereignisse und jeden Anschein geordneter Kausalität.

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    Das Geschrei dauert noch eine Weile an, nachdem die Schießerei aufgehört hat. Als es leiser wird und die Leute beginnen, aus ihren Zufluchtsorten hinter Säulen und unter Tischen hervorzukommen, sind die Scheinwerfer zerschossen, um den wichtigeren Geschäftsinteressen Deckung für den Rückzug zu geben. Der Scheich ist gelöscht, und zwar vom Bischof, der ihn in sein eigenes Gewand, feuersicher wegen der in der orthodoxen Liturgie benutzten Kerzen, gewickelt hat, und nur der bleiche Mond und ein paar noch nicht abgebrannte oder nicht in Panik umgeworfene Kerzen spenden Licht.
    Als Dr. Norman Wilfred oder Oliver Fox, zu dem er in seinem Schockzustand wieder geworden ist, vom Boden hinter dem Tisch aufsteht, sind die Stühle rechts und links neben ihm nicht mehr besetzt; Mrs. Toppler und Mrs. Skorbatowa wurden offenbar mit ihren Männern sowie den Toten und Verwundeten auf beiden Seiten hastig weggeschafft. Auch viele andere Gäste sind geflüchtet. Manche der Verbliebenen weinen oder wimmern, während sie in einem Zustand posttraumatischen Schocks umherwandern, Glasscherben zertreten und sich gegenseitig in die Arme fallen, wenn sie geliebte oder auch nichtgeliebte Personen lebend wiederfinden.
    Oliver erkennt ein, zwei Gesichter, die sich aus der Dunkelheit lösen und die er hier nicht erwartet hätte. Georgie … Annuka … So verwirrt wie alle anderen fragt er sich, was sie hier tun. Sollte Georgie nicht erst morgen kommen? Sollte Annuka
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