Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka
Autoren: Michaela Kuepper
Vom Netzwerk:
absolut keine Beweise – und die sind in dieser Angelegenheit zwingend notwendig.
    Im besten Fall würde ich mich lächerlich machen und in Erklärungsnöte geraten; im schlimmsten eine Menge Ärger bekommen und womöglich mein Geschäft ruinieren. Deutlich klingen mir noch Richter Bernhards Worte im Ohr; jenes echt kölsche Urgestein vom Siegburger Amtsgericht, bei dem man nie sicher ist, ob er eine Büttenrede hält oder ein Urteil spricht. Wenn man sich ein bisschen reingehört hat, ahnt man allerdings doch, in welche Richtung es geht, und bei unserer letzten Unterredung hatte er recht eindeutige Worte gefunden.
    »Junge Frau, diesmal habe ich ein Auge zujedrückt, aber nächstes Mal versteh ich keinen Spaß mehr. Also wäre et jut, wenn et kein nächstes Mal jäbe. Habe ich mich klar ausjedrückt?«
    Ja, er hatte sich klar ausgedrückt. Beim nächsten Mal wäre ich reif, hieß das. Hintergrund der Geschichte war, dass ich einer Zielperson einen GPS-Sender ans Auto geklemmt hatte. Ein Kunde hatte mich beauftragt, einen seiner Mitarbeiter ins Visier zu nehmen, der seit Monaten krankfeierte. Der Kunde hatte besagten Mitarbeiter im Verdacht, in Wahrheit heimlich zu arbeiten, und ich sollte der Sache nachgehen. Da Denise gerade entbunden hatte und Herbert an einem anderen Fall dran war, entschied ich mich für die Kurz-und-schmerzlos-Version in Sachen Ermittlung und brachte das GPS zum Einsatz. So fand ich schnell heraus, dass die Zielperson einen recht beachtlichen Aktionsradius hatte, was schon einmal verdächtig war. Von da an war es nur ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis, dass besagter Mitarbeiter private Häuslebauer in der ganzen Region ansteuerte, um ihnen bei der Verlegung der Elektrik auszuhelfen. Schwarz, versteht sich. Und trotz seiner zerrütteten Nerven.
    Der umtriebige Kranke erhielt eine fristlose Kündigung, focht diese jedoch an, unter anderem, weil sein Anwalt die Observation für unrechtmäßig hielt, und ich wurde als Zeugin vor Gericht geladen. Nichts Ungewöhnliches, wie überhaupt der Fall nicht ungewöhnlich war. Die Beweislast war erdrückend, und die Zielperson verdiente die Kündigung durchaus, das sah auch Richter Bernhard so. Nicht einverstanden war er hingegen mit meiner Ermittlungsmethode gewesen, die zwar für das Verfahren keine direkte Relevanz gehabt hatte, da die entscheidenden Fakten auf anderem Wege gewonnen worden waren – ich hatte das GPS-Gerät schließlich entfernt, war der Zielperson hinterhergefahren und hatte sie auf zwei Baustellen in Aktion fotografiert –, hinter verschlossenen Türen hatte Bernhard mir jedoch einen Warnschuss erteilt. Beim nächsten Mal würde mir womöglich ein Ermittlungsverfahren wegen ›vorsätzlich unbefugt erhobener personenbezogener Daten‹ drohen, wie es so schön heißt. Die Rechtslage ist in diesem Fall nicht eindeutig, doch sollte man mich deswegen drankriegen, kann ich einpacken. Geradezu ideale Voraussetzungen also, um mit meiner Wanzen-Nummer aufzuwarten. Zumal es nicht einmal eine Leiche gibt – oder noch nicht gibt. Man würde Waskovic keine Unrechtmäßigkeiten vorwerfen können. Aber mir.

    Während ich aus meinem Hotelzimmer zu meinem Wagen flüchte, den ich ein paar Straßen weiter in der Nähe des Rheinufers geparkt habe, schießen mir all diese Überlegungen durch den Kopf, allerdings nicht wohlgeordnet und sortiert, sondern in einer Art chaotischer, Blitze zuckender Ursuppenversion. Meine Konzentration leidet außerdem darunter, dass Ernie und Bert in meinem Ohr gerade lebhaft über den möglichen Ausgang eines Spiels der Windecker Kicker debattieren.
    Ich steige in meinen Mondeo und muss all meinen Mut zusammenkratzen, um den Anweisungen des Navis zu folgen: Zielrichtung Kaulquappe, zum Heim der Waskovics – direkt in die Höhle des Löwen sozusagen. Trotz meiner weichen Knie scheint mir das Risiko kalkulierbar, der Löwe weilt ja noch in seiner Hotelsuite, wo er sich nach getaner Arbeit ohne Zweifel seinen Brennpunktplaymates widmen wird. Sein Date steht nach wie vor, mit eigenen Augen habe ich die Behrendt eintreffen und in der Hotelbar abtauchen sehen. Ich war einfach nur zu früh dort, verdammt!

    Ernie verlässt gerade das Hotelzimmer, als ich auf die L 269 abbiege. Kurz vor der Autobahnauffahrt klopft es, und ich höre Waskovic die Tür öffnen.
    »Tut mir leid, Engelchen«, schnurrt er. »Manchmal bin ich nicht Herr über meine Zeit.«
    »Macht nichts, ich habe mich angeregt mit dem Barkeeper unterhalten«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher