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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka
Autoren: Michaela Kuepper
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zahlreiche weitere Verrücktheiten, als mich meine Türklingel mit ihrem wohlbekannten Fanfarenstoß aufschreckte – jenes Signal, alles stehen und liegen zu lassen und hinüber in den Anbau zu hechten, in dem mein Büro untergebracht ist. Dort angekommen, mäßigte ich mein Tempo und schritt bedächtig zur Eingangstür, um der potenziellen Kundschaft zu öffnen.
    Die potenzielle Kundschaft kam in Gestalt einer durchgestylten Lady undefinierbaren Alters: langes helles Haar, Pelzkrägelchen, weiße Stiefel mit Absätzen wie Schaschlikspieße. Sie studierte angestrengt die Messingtafel neben der Tür, als gelte es, den Hippokratischen Eid in altgriechischer Originalversion zu entziffern, dabei stehen lediglich drei Worte darauf: ›Wahrheit. Klarheit. Fairness.‹ Mein Credo in allen Lebenslagen, sozusagen. Ihres nicht, wie ich jetzt weiß – kein Wunder, dass sie dran zu knabbern hatte.
    »Frau Schiller? Johanna Schiller?«
    »Die bin ich.« Ich bat sie herein und forderte sie auf, sich zu setzen. Später war ich unschlüssig, ob ich meiner spontanen Eingebung, sie ›Kaulquappe‹ zu nennen, folgen oder ihr lieber den Decknamen ›Donatella‹ verpassen sollte, nach dieser blond-brutzeligen Versace-Schwester, blieb dann aber bei meiner ersten Idee. Doch eins nach dem anderen.
    Ich fragte also, was ich für sie tun könne, und sie berichtete von gewissen ehelichen Zwistigkeiten – das heißt, bevor sie damit herausrückte, saß sie eine zähe Minute lang kerzengerade vor mir und sagte gar nichts. Solch bockiges Schamschweigen kann mich allerdings nicht schrecken. Ich nehme meine Therapeutenhaltung ein: bequeme, nicht allzu lässige Sitzposition und den speziellen Gesichtsausdruck aufsetzen, den ich mir in langjähriger Übung erarbeitet habe – eine Mischung aus professioneller Anteilnahme, sachlicher Distanziertheit und diesem gewissen Blick, der erahnen lässt, dass mir nichts Menschliches fremd ist. Mit dieser Miene relativiere ich den ersten Eindruck, den die meisten von mir haben, ich verschaffe mir sozusagen ein größeres geistiges Gewicht. Und ich bringe meine Kunden damit gewöhnlich zum Sprechen, die Kaulquappe bildete da keine Ausnahme.
    Es war die übliche Geschichte – ich sollte ihren Ehemann der Untreue überführen. Allerdings war sie bereit, dafür eine solch unanständige Summe zu zahlen, dass ich sofort hätte stutzig werden müssen. Bei jedem weiblichenWesen schlägt die sparsame Hausfrau durch, wenn sie für den Beweis ihrer eigenen Niederlage auch noch Geld auf den Tisch legen soll. Zwar verhandelt nicht jede knallhart über meinen Stundensatz, gewöhnlich erkundigt sie sich jedoch danach. Die Kaulquappe dagegen versäumte es nicht allein, sich zu erkundigen, sondern nannte von sich aus eine Anzahlungssumme, die viel zu hoch war, und schob gleich noch einen Umschlag über den Tisch.
    »Normalerweise habe ich einen festen Stundensatz«, erklärte ich und gab mir Mühe, das Kuvert zu ignorieren. »Hinzu kommen gewisse Extras, die im Vorfeld zu klären sind. Wir setzen einen Dienstleistungsvertrag auf, dann …«
    Sie wolle keine Extras klären, fiel sie mir ins Wort und bedachte mich mit einem strengen Blick aus ihren gelblichen Hexenaugen, die so gar nicht zum Rest ihrer Erscheinung passten. Klarheit über die Angelegenheiten ihres Mannes wolle sie. Weiter nichts.
    Und ich wollte den Auftrag, weiter nichts. Mein Portemonnaie wollte ihn. Nicht dass die Geschäfte schlecht liefen, aber sie liefen auch nicht gerade gut. Vor meinem geistigen Auge materialisierte sich bereits seit einigen Wochen das Interieur der Kaufhof-Miederwarenabteilung, im rhythmischen Wechsel mit der Parfümerie. Bebrillte ältere Herren beim Klauen feiner Damenunterwäsche festzunageln, ist einfach nicht mein Ding. Noch schlimmer sind allerdings die wabernden Duftwolken, in die sich junge Mädchen hüllen, bevor sie teure Wässerchen in ihren Handtaschen verschwinden lassen. Penetrante Gerüche lösen bei mir unweigerlich einen Migräneanfall aus. Kurz gesagt: Mich als Kaufhausdetektivin zu verdingen, ist so ziemlich das letzte meiner Karriereziele, das ich allerdings gerade mal wieder auf ziemlich hartem Kurs ansteuerte. Und plötzlich hockte die Kaulquappe vor mirund versprach, sich in einen Frosch mit einer fetten Goldkugel zu verwandeln. Wer könnte da widerstehen?
    Ich jedenfalls nicht. Innerlich scharrte ich bereits mit den Hufen wie ein Rennpferd, bereit, sofort loszustürmen; ein schöner Batzen Geld ist noch immer
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