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Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt

Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt

Titel: Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt
Autoren: Campus
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Einleitung
Die Leidenschaft der Mönche
    »›Folge deiner Leidenschaft!‹ ist ein gefährlicher Rat.«
    Thomas traf diese Erkenntnis wie ein Blitz. Und das in einer Gegend, in der man schon gleich gar nicht mit solchen Geistesblitzen rechnet. Er ging nämlich gerade durch einen Wald im südlichen Talkessel am Mount Tremper (im Bundesstaat New York) spazieren. Auf einem Pfad, der durch das Grundstück des in den 1980er Jahren in dieser Gegend der Catskill Moutains erbauten buddhistischen Zen-Klosters verläuft. Thomas hatte als Laienpriester bereits eines von zwei dafür eingeplanten Jahren in dem Kloster verbracht. Damit hatte er sich einen beruflichen Traum erfüllt, den er schon seit Jahren hegte. Mit allergrößter Leidenschaft hatte er alles getan, was in dieser klösterlichen Abgeschiedenheit zu seinen Aufgaben gehörte, und hatte sich davon Glück und Zufriedenheit versprochen. Doch als er an jenem Nachmittag in dem Eichenwald stand, liefen ihm die Tränen über das Gesicht, weil er spürte, dass sein großer Traum wie eine Seifenblase zerplatzt war.
    »Ich fragte mich nach dem Sinn des Lebens«, hatte mir Thomas bei unserer ersten Begegnung in einem Coffee-Shop in Cambridge, Massachusetts, erzählt. Seit seiner Erkenntnis in den Catskill Moutains waren schon einige Jahre vergangen, doch er | 7 | konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie steinig und beschwerlich der Pfad hin zu dieser Einsicht gewesen war. Er brannte förmlich darauf, mir davon zu erzählen, als ob er damit die Dämonen seiner komplizierten Vergangenheit verjagen könnte.
    Er hatte sein Studium der Philosophie und Theologie mit dem Bachelor abgeschlossen, daraufhin seinen Master in Vergleichenden Religionswissenschaften gemacht und war dann zu dem Schluss gekommen, dass ein Praktikum in einem buddhistischen Zen-Kloster der Schlüssel zu einem bedeutungsvollen Leben wäre. »Aus meinem Studium wusste ich, dass Philosophie und Buddhismus gar nicht so weit auseinanderliegen. Deshalb war ich davon überzeugt, in einem buddhistischen Kloster die Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden«, erzählte er mir.
    Doch zunächst musste er Geld verdienen, weshalb er die unterschiedlichsten Jobs annahm. So hatte er zum Beispiel ein Jahr lang in der südkoreanischen Industriestadt Gumi die englische Sprache unterrichtet. Viele glauben, das Leben in Ostasien sei ein großes Abenteuer, doch mit dieser Verklärung der Realität war für Thomas schon bald Schluss. »Jeden Freitagabend nach Feierabend trafen sich die Arbeiter an einer der fahrbaren Imbissbuden, vor denen meist noch ein Zelt aufgestellt war«, fuhr Thomas fort. »Dann floss der Soju [ein alkoholisches Reisgetränk] bis spät in die Nacht in Strömen. Im Winter dampfte es mächtig aus dem Zelt heraus, kein Wunder bei den Saufgelagen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass am nächsten Morgen die Straßen förmlich mit getrocknetem Erbrochenem zugepflastert waren.«
    Thomas’ Sinnsuche führte ihn auch nach China und Tibet und in andere Länder, ja sogar nach Südafrika. Schließlich landete er dann in London, wo er einen ziemlich stupiden Job verrichtete. Während dieser ganzen Zeit hielt Thomas an seiner Überzeugung fest, dass der Buddhismus für ihn der Schlüssel zum Glück sei. Im Lauf der Zeit wurde daraus die Vorstellung, als Schüler in einem Zen-Kloster zu leben. »Ich träumte damals Tag und Nacht von einem Leben in einem Kloster – es war unglaublich«, schil | 8 | derte er mir seine Gefühle von damals. »Ich war felsenfest davon überzeugt, dort mein Glück zu finden und meinen Traum wahr werden zu lassen.« Im Vergleich mit seinen Wunschvorstellungen schnitten natürlich alle Jobs aus der realen Welt schlecht ab. Er war wild entschlossen, seiner Leidenschaft zu folgen.
    In seiner Londoner Zeit hatte Thomas zum ersten Mal von dem Zen-Kloster in den Bergen gehört. Er war sofort davon beeindruckt, wie ernst die Mönche ihre Berufung nahmen. »Die Menschen dort praktizierten mit wahrer Leidenschaft und Ernsthaftigkeit den Zen-Buddhismus«, erinnerte er sich. Ihm war schlagartig klar, dass auch er dorthin gehörte.
    Alles in allem zog sich Thomas’ Anmeldung neun Monate lang hin. Dann endlich hatte er die heiß ersehnte Genehmigung in der Tasche. Sogleich machte er sich auf den Weg dorthin. Als er sich ankam, wurde er herzlich von einem Mönch in Empfang genommen. Thomas erzählte, sichtlich bewegt: »Es war ein unbeschreiblicher Augenblick. Als hätte ich
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