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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka
Autoren: Michaela Kuepper
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dann einfach mal naschen. Oder den anderen naschen lassen – meinen Sie nicht? Ich verlange keine Antwort, es soll nur ein Gedankenanstoß sein. Man muss die Wahrheit ertragen können, das ist alles, was ich zu bedenken gebe. Aber Sie scheinen sich ja bereits entschieden zu haben.«
    »Sonst wäre ich nicht hier«, gab die Kaulquappe kurz angebunden zurück. »Alles, was ich will, ist Bescheid zu wissen, und zwar so genau wie möglich.«
    »In Ordnung«, stimmte ich zu und hatte damit für meinen Geschmack genug psychologisches Feingefühl bewiesen.
    »Dann haben wir uns ja verstanden.«
    »Ich denke schon.«
    »Aber kommen Sie mir nicht mit Busserl-Serien vom Firmenparkplatz.«
    »Wie bitte?«
    »Na, keine Sekretärinnen-Begrüßungsgeschichten – Küsschen links, Küsschen rechts, und tralala.«
    Aha. Tralala. Es klingt merkwürdig, wenn diese weichen Silbenwellen mit jenem harten, trockenen Akzent vorgetragen werden, der der Kaulquappe eigen ist.
    Wie schnell sie ihre anfängliche Verstocktheit überwunden hatte! Keine Busserl also, die Hüllen mussten fallen. Vermutlich erhoffte sie sich von den nackten Tatsachen irgendwelche strategischen Vorteile, doch sie äußerte sich nicht weiter dazu, und ich fragte nicht danach. Hinzu kam, dass ich grundsätzlich ein Problem mit gut betuchten älteren Herren habe, die sich als taufrisches Gemüse verkaufen, ihre reifen Ehefrauen hingegen behandeln wie schimmliges Obst. Die Kaulquappe tat offensichtlich einiges dafür, um knackig zu bleiben, da hatte sie etwas Respekt verdient. Wenn sie den nicht mehr bekäme, sollte sie doch für sich rausschlagen, was sie kriegen könnte. Sollte sie ihrem Gatten ordentlich in den Hintern treten. Und mich ordentlich bezahlen.
    »Ich zahle sehr gut«, bekräftigte sie wie aufs Stichwort. »Dafür verlange ich allerdings gute Arbeit. Bilder, Videos, Tondokumente – alles, was möglich ist.«
    »Sie wissen, dass das unter Umständen illegal ist?«, wandte ich ein. »Dieses Material hat juristisch keinerlei Relevanz, und Tonaufnahmen sind schlichtweg verboten.«
    Sie zuckte die Achseln. »Wo kein Kläger, da kein Richter. Ich beabsichtige nicht, ein Gericht hinzuzuziehen.«
    »Okay, das mag sein. Aber ich laufe Gefahr, mich strafbar zu machen.«
    Statt zu antworten, betrachtete sie eingehend den Umschlag auf dem Tisch. Ich konnte nicht anders, als es ihr gleichzutun.

    Im Weiteren gestaltete sich unsere Zusammenarbeit harmonisch. Die Kaulquappe füllte meinen Fragebogen über die Lebensumstände ihres Mannes gewissenhaft aus und schickte mir ein paar Fotos des Gatten per E-Mail. Ich erledigte meinen Teil der Arbeit und erhielt bald ein rundes Bild meiner Zielperson: Bert Waskovic, 52 Jahre alt, gebürtig in Waldbröl. Ein Holzhändler aus dem Bergischen Land, seinem Aussehen und Auftreten nach eher Investmentbanker als Hinterwäldler.
    Als Verwaltungssitz seines Unternehmens dient eine schicke Gründerzeitvilla nahe des Alten Friedhofs in Eitorf, in der zudem die hill & valley GmbH residiert, die sich vorwiegend auf Auslandsgeschäfte konzentriert und deren Vorsitz Waskovic ebenfalls führt. Doch all das interessierte mich nur am Rande, ich hatte es schließlich auf sein Privatleben abgesehen. Auch dazu hatte die Kaulquappe nicht mit Informationen gegeizt und meinen Fragebogen sogar mit einigen zusätzlichen Anmerkungen versehen. So erfuhr ich beispielsweise, dass ihr Gatte einen Hang zur Pedanterie hat und ein Kontrollfreak ist, was sich mit meiner physiognomischen Gesichtsanalyse deckte. Außerdem erfuhr ich, dass er nie vor Mitternacht ins Bett geht, sich als Einschlafhilfe ein Glas Single Malt Whisky gönnt und eine Schwäche für Torten aller Art hat.
    Bestens instruiert machte ich mich also an die Arbeit, und – was soll ich sagen? Unser Feinschmecker gönnt sich nicht ein, sondern gleich zwei Sahneschnittchen: die Kleinere geht in Richtung Buttercremetorte, die Größere erinnert an Schwarzwälder Kirsch. Ihre Namen: Chantal Schuster und Vanessa Behrendt.
    Chantals Aura verrät Gedankenlosigkeit und Daseinsfreude, gepaart mit einer ausgeprägten Genusssucht und dem Bedürfnis nach Harmonie. Bei der Behrendt widersprechen sich eine gewisse Askese und der Hang zum Luxus, Zielstrebigkeit und Faulheit – sie ist also leidensfähig, strengt sich jedoch nur ungern an.
    Beide Damen verfügen über viel Freizeit und einen illustren Freundeskreis, der sich aus Türstehern, Kampfhundbesitzern und Gebrauchtwagenhändlern zusammensetzt –
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