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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Klappstühlchen davor. Dann entledigte er sich seiner Jacke und knöpfte sein Hemd bis zum Nabel auf, da wieder ein herrlicher Tag mit wolkenlosem Himmel angebrochen war. Weinberg reihte sich an Weinberg. Unten floß träge, wie flüssiges Silber, die Mosel im Sonnenschein. Die rasch sich erhitzende Luft staute sich flimmernd im Tal und an den Hängen der Rebenhügel.
    Die Mosel ist einer der verrücktesten Flüsse, die's gibt. Wenig andere machen so viele Windungen und Schleifen wie gerade die Mosel. Sie beißt sich durch die härtesten Schieferberge, frißt sich durch glutheiße Täler und erzwingt sich den Weg durch die Südeifel, als hätte es einen solchen nirgendwo anders leichter und bequemer gegeben.
    Der Ort Wehlen liegt an einem verhältnismäßig geraden Stück der Mosel. Ober- und unterhalb Wehlens, bei Ürzig und Bernkastel, kommen wieder enge Knicke, die man, wenn man sich auf einem der Berge befindet, deutlich sieht. Man hat dabei das Gefühl, auf einer Insel zu stehen.
    Der Maler setzte sich hin und begann nun mit seiner Kohlezeichnung.
    Die Kohlezeichnung ist fast immer die erste Stufe eines Ölgemäldes. Wenn die Kohlezeichnung schlecht ausfällt, wird das ganze Bild nichts. Frédéric gab sich daher alle Mühe.
    Versunken in seine Arbeit, entging ihm, daß er schon eine ganze Weile beobachtet wurde. Endlich entdeckte er, als er einmal aufblickte und zur Kuppe des Berges hinaufschaute, daß sich dort etwas bewegte. Ein heller Mädchenrock zeigte sich, der von den grünen Reben abstach. Der Rock wurde ergänzt von einer dunkelblauen Bluse, die Mühe hatte, das zu verbergen, was in ihr steckte: ein aufregender Busen. Ähnlich erging es dem Rock; auch er wurde nicht fertig mit der Aufgabe – falls er eine solche überhaupt erfüllen sollte –, zwei tolle Beine wenigstens bis unter die Knie zudringlichen Blicken zu entziehen.
    Gekrönt wurde das Ganze von einem Kopf mit blonden Locken, die fast bis auf die Schultern herabfielen, und von einem Gesicht, das erst ein Jahr zuvor dazu ausgereicht hatte, daß ihre Besitzerin zur ›Deutschen Weinkönigin‹ gewählt worden war.
    »Donnerwetter!« stieß Frédéric Bruhère, dessen Malerauge hellauf begeistert war, leise hervor.
    Das Mädchen sah sich entdeckt und kam die Terrassen herabgeklettert. Je näher sie rückte, desto deutlicher wurde es, daß der Maler von seinem spontanen ersten Urteil keinerlei Abstriche machen mußte.
    Das Mädchen eröffnete das Gespräch zwischen den beiden. Sie tat das mit einer Frage, die allerdings überflüssig war.
    »Was machen Sie hier?«
    »Das sehen Sie doch«, antwortete der Maler, mit dem Kohlestift, den er noch zwischen den Fingern hielt, auf die Leinwand seiner Staffelei weisend.
    »Wer sind Sie?« fuhr das Mädchen fort.
    »Mein Name ist …«, er zögerte, ehe er ergänzte, »Frédéric Bruhère.«
    »Frédéric Bruhère?« Das erstaunte Mädchen schüttelte den Kopf. »Sie sind doch kein Franzose?«
    »So?« antwortete der Maler, dem es darum zu tun war, das Gespräch mit diesem entzückenden Mädchen so schnell nicht abreißen zu lassen. »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ihnen fehlt jeder Akzent.«
    »Das ist noch kein hundertprozentiger Beweis.«
    »Richtig – aber ein neunzigprozentiger!«
    »Zehn Prozent, die fehlen, sind oft entscheidend, denn –«
    »Sind Sie Franzose oder nicht?« fiel sie ihm ins Wort.
    Sie blickte ihn dabei sehr streng an, so daß er es für besser hielt, die Wahrheit einzugestehen, indem er sagte: »Nein, bin ich nicht. Ich komme aus Koblenz.«
    »Und wieso heißen Sie Frédéric Bruhère? Sind Sie ein Abkömmling der Hugenotten?«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    »Ich führe einen Künstlernamen.«
    »Aha«, nickte das Mädchen, »ein Pseudonym. Und wie lautet Ihr bürgerlicher Name?«
    Nun reichte es dem Maler langsam. Er gab vorerst keine Auskünfte mehr, sondern sagte: »Sie verhören mich. Warum?«
    »Dazu habe ich ein Recht.«
    »Wieso?«
    »Sie bewegen sich auf fremdem Grund und Boden. Wer gab Ihnen die Erlaubnis dazu?«
    »Was geht das Sie an?« erwiderte Frédéric gröber, als er eigentlich wollte, und setzte deshalb rasch hinzu: »Die Genehmigung habe ich vom Besitzer.«
    »Was? Von meinem Vater?«
    »Herr Selzer ist Ihr Vater?« antwortete er überrascht.
    »Ja.«
    »Das wußte ich nicht, entschuldigen Sie; er hat mir nicht gesagt, daß er eine Tochter hat.«
    »Wäre er denn verpflichtet gewesen, Ihnen das zu sagen?«
    »Nein, das nicht.« Verlegen errötete Frédéric und
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