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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Packung zornig auf den Boden, stieß sogar mit dem Fuß noch einmal nach ihr. »Wie komme ich jetzt an Zigaretten?«
    Die Frage war scheinbar so schwierig, daß er sie sich nicht beantworten konnte; denn er schwieg. Doch dann brummte er: »Rembrandt hatte es leichter, denn damals war das Rauchen in Europa noch unbekannt.«
    Ob das stimmte, hätte er nicht einmal sagen können. Es sollte jedenfalls ein grausamer Witz sein.
    Er faßte den Entschluß, sich zu waschen, und zog die Schlafanzugjacke aus. Er kehrte dabei der Tür den Rücken zu.
    In diesem Augenblick klopfte es.
    Nanu, fragte er sich, wer kann das sein mitten in der Nacht?
    Leute wie er denken in solchen Momenten meistens an den Gerichtsvollzieher. Aber selbst Gerichtsvollzieher kommen nicht ›mitten in der Nacht‹.
    Fritz blickte auf die Uhr. Halb neun, dachte er, die Polizeistunde ist absolut verkehrt eingerichtet; sie müßte nicht dazu da sein, daß die Menschen nachts nicht zu spät ins Bett kommen, sondern dazu, daß morgens nicht zu früh aufgestanden werden darf.
    Es klopfte noch einmal. Fritz Brühe hörte auf, neue, umwälzende volkswirtschaftliche Theorien zu entwickeln, und krächzte, ohne sich umzudrehen: »Herein!«
    Die Tür ging auf, und eine fette Stimme sagte nicht unfreundlich: »Guten Morgen.«
    Frédéric Bruhère hatte Erfahrung: Das war nicht das Organ eines Vollzugsbeamten.
    Es konnte ihm demnach leichter fallen, sich umzudrehen, und er tat es.
    Im Raum stand ein dicker, großer Mann, der sich erstaunt umschaute. Sein rotes Gesicht und seine ins Bläuliche gehende Nase erweckten nicht den Eindruck, daß er mit Speis und Trank auf dem Kriegsfuß stand – im Gegenteil. Auch ein enormer Bauch, den er besaß, ließ darauf schließen, daß schon mancher leckere Bissen und viele edle Tropfen in ihn versenkt worden waren.
    »Guten Morgen«, sagte der Fremde noch einmal und setzte, mit einem Nicken zum nackten Oberkörper Frédérics, hinzu: »Ich störe wohl?«
    »Guten Morgen«, erwiderte Frédéric Bruhère. »Ob Sie stören, hängt davon ab, was Sie wollen.«
    »Ein Bild.«
    »Ein Bild?!« sagte der Maler rasch. »Dann sind Sie willkommen. Bitte, nehmen Sie Platz.«
    Er zeigte auf einen alten, wackeligen Stuhl, den einzigen im Raum. Daneben gab es nur noch einen Hocker ähnlichen Zustandes.
    »Wer sind Sie?« fuhr der Maler fort.
    Der Fremde setzte sich vorsichtig. Nachdem ihm dies gelungen war, antwortete er: »Mein Name ist Selzer. Baptist Selzer. Ich bin Winzer aus Wehlen an der Mosel.«
    Er verstummte und wartete auf einen Ausruf der Begeisterung aus dem Munde des Malers. Als ein solcher nicht vernehmbar wurde, fragte er: »Kennen Sie den Ort?«
    »Nein.«
    Daher also, dachte der Winzer und fuhr fort: »Unsere Weine sind berühmt.«
    Der Maler konnte nicht umhin, sich zu einem Eingeständnis zu zwingen, das ihn in den Augen eines Winzers fast vernichten mußte.
    »Ich bin Biertrinker, Herr Selzer.«
    »Kommen Sie aus Bayern?«
    »Nein.«
    »Woher dann?«
    »Wenn ich Ihnen das sage, Herr Selzer, wollen Sie kein Bild mehr von mir haben.«
    »Nun bin ich aber neugierig. Woher denn?«
    »Aus Rüdesheim.«
    »Aus Rüdesheim?!« schrie der Winzer auf.
    »Ja.«
    »Und dann sind Sie Biertrinker?!«
    »Sehen Sie, ich bleibe auf meinem Bild sitzen, das habe ich geahnt.«
    »Das wäre auch die richtige Strafe für Sie«, sagte Selzer, den das deprimierte Gesicht des Malers zum Lachen reizte. »Aber ich will mal nicht so sein. Es bleibt bei meinem Auftrag.«
    »Auftrag?«
    »Ja.«
    »Ich soll Ihnen ein Bild neu anfertigen?«
    »Sicher, was dachten Sie denn?«
    »Daß Sie sich hier eines aussuchen wollen unter denen, die ich schon vorrätig habe.«
    Baptist Selzer machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ich denke nicht daran, ich will individuell bedient werden.« Er klopfte zweimal dort auf sein Jackett, wo die Brieftasche stecken mußte. »Meine Mittel erlauben mir das.«
    »Selbstverständlich«, beeilte sich Frédéric Bruhère alias Fritz Brühe zu versichern. »Ich male Ihnen jedes Bild, das Sie haben wollen. Sie denken wohl an ein Porträt?«
    »Ein Porträt?«
    »Ja, von Ihnen.«
    »Von mir?«
    Am Tonfall des Winzers merkte der Maler, daß er auf dem falschen Dampfer war.
    »Oder von Ihrer Frau«, sagte er.
    »Weder – noch«, lautete die Antwort, die den Maler überraschte. »Ich sagte Ihnen, ich bin Winzer, und ich möchte, daß Sie meinen Weinberg malen.«
    Warum nicht, dachte Frédéric Brühe … nein, Fritz Bruhère … nein
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