Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes
Autoren: Willis Connie
Vom Netzwerk:
Was ein Glockenläuter am meisten braucht, ist nicht Kraft, sondern die Fähigkeit, das richtige Zeitmaß zu halten… Er muß diese beiden Dinge im Bewußtsein zusammenbringen und für dort für immer bewahren – Glocken und Zeit, Glocken und Zeit.
    RONALD BLYTHE
AKENFIELD
     
1
     
     
    Mr. Dunworthy öffnete die Tür zum Laboratorium, und sofort beschlugen seine Brillengläser.
    »Bin ich zu spät?« fragte er, nahm die Brille ab und blinzelte Mary zu.
    »Schließen Sie die Tür«, sagte sie. »Ich kann Sie im Getöne dieser schauderhaften Weihnachtslieder nicht verstehen.«
    Dunworthy schloß die Tür, aber das konnte die vom Hof hereindringenden Klänge von »Ihr Kinderlein kommet« nicht gänzlich aussperren. »Bin ich zu spät?« fragte er wieder.
    Mary schüttelte den Kopf. »Gilchrists Ansprache ist alles, was Sie versäumt haben.« Sie lehnte sich im Stuhl zurück, um Dunworthy in den schmalen Beobachtungsraum vorbeizulassen. Sie hatte ihren Mantel ausgezogen und mit dem wollenen Hut und einer großen Einkaufstasche voller Päckchen auf dem einzigen anderen Stuhl abgelegt. Ihr graues Haar war in Unordnung, als hätte sie versucht, es nach dem Abnehmen des Hutes aufzulockern. »Eine sehr lange Ansprache über die Jungfernfahrt des Fachbereichs Mittelalter in die Zeit«, sagte sie, »und daß das Brasenose College seinen rechtmäßigen Platz als das Juwel in der Krone der Geschichtsschreibung einnehmen werde. Regnet es noch?«
    »Ja«, sagte er, mit dem Putzen der Brillengläser an seinem Schal beschäftigt. Er hakte das Drahtgestell der Brille über die Ohren und ging hinauf zu der dünnen gläsernen Trennwand, um das Netz anzusehen. In der Mitte des Laboratoriums war ein zerbrochenes kleines Fuhrwerk, umgeben von durcheinandergeworfenen Reisekisten und Körben. Darüber hingen die Schutzschirme des Netzes, drapiert wie ein Fallschirm aus dünnem Flor.
    »Wo ist Kivrin?« fragte Dunworthy.
    »Ich habe sie nicht gesehen«, sagte Mary. »Nun kommen Sie und setzen Sie sich. Das Absetzen ist erst für heute mittag geplant, und ich bezweifle sehr, daß sie sie bis dahin auf den Weg bringen werden. Schon gar nicht, wenn Gilchrist noch eine Rede hält.«
    Sie hängte ihren Mantel über die Lehne ihres eigenen Stuhles und stellte die Einkaufstasche mit den Päckchen neben sich auf den Boden. »Ich hoffe wirklich, daß es nicht den ganzen Tag dauern wird. Um drei muß ich meinen Großneffen Colin abholen. Er kommt mit der U-Bahn.«
    Sie kramte in ihrer Einkaufstasche. »Meine Nichte Deirdre ist über die Feiertage nach Kent gefahren und hat mich gebeten, den Jungen bei mir aufzunehmen. Ich hoffe nur, daß es nicht die ganze Zeit regnen wird, solange er hier ist«, sagte sie, mit beiden Händen in der Einkaufstasche suchend. »Er ist zwölf, ein netter Junge, sehr intelligent, aber leider hat er das schrecklichste Vokabular. Alles ist entweder nekrotisch oder apokalyptisch. Und Deirdre erlaubt ihm entschieden zu viele Süßigkeiten.«
    Sie grub weiter im Inhalt ihrer Einkaufstasche. »Das habe ich für ihn zu Weihnachten gekauft.« Sie zog ein schmales, rot und grün gestreiftes Päckchen hervor. »Ich hatte gehofft, den Rest meiner Einkäufe zu erledigen, bevor ich hierher käme, aber es goß in Strömen, und ich kann diese schauderhafte digitale Glockenspielmusik in der High Street immer nur für kurze Zeit ertragen.«
    Sie öffnete die Schachtel und faltete das Seidenpapier zurück. »Ich habe keine Ahnung, was Dreizehnjährige heutzutage tragen, aber ein wollener Schal ist zeitlos, meinen Sie nicht, James? – James?«
    Er erwachte aus seiner Geistesabwesenheit und wandte den Kopf. »Was?«
    »Ich sagte, ein Schal ist immer ein passendes Weihnachtsgeschenk für einen Jungen, finden Sie nicht?«
    Er sah den Schal an, den sie zur Begutachtung in die Höhe hielt. Er war aus dunkelgrauer Plaidwolle. Er hätte sich als Junge nicht ums Verrecken damit sehen lassen mögen, und das war vor fünfzig Jahren gewesen. »Ja«, sagte er und wandte sich wieder der Glasscheibe zu.
    »Was gibt es? Ist etwas nicht in Ordnung?«
    Latimer hob ein messingbeschlagenes Kästchen auf und blickte dann unbestimmt suchend umher, als hätte er vergessen, was er damit vorhatte. Montoya schaute ungeduldig auf ihre Digitaluhr.
    »Wo ist Gilchrist?« sagte Dunworthy.
    »Er ist da hinaus«, sagte Mary und zeigte zu einer Tür auf der anderen Seite des Netzes. »Er predigte über die Stellung des Mittelalters in der Geschichte, sprach eine Weile
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher