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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fügte bekräftigend hinzu: »Natürlich nicht!«
    Plötzlich lachte das Mädchen, wobei zwei Reihen blendend weißer, makelloser Zähne sichtbar wurden.
    »Er ist ein Geheimniskrämer«, sagte sie. » Mir hat er nicht gesagt, daß er Sie anscheinend dazu engagiert hat, unseren Weinberg zu malen.«
    »Er will das Bild zur Jahrhundertfeier der Winzer in drei Wochen haben.«
    »Wann sagte er Ihnen das?«
    »Vorgestern früh.«
    »Und wo?«
    »In meinem Atelier in Koblenz.«
    »Er war also in Koblenz«, sprach das Mädchen nachdenklich vor sich hin. »Auch das erfahre ich jetzt erst. Warum wohl?«
    Für Augenblicke schien sie die Anwesenheit des Malers vergessen zu haben.
    Frédéric hoffte, sich nicht unbewußt einer Denunziation schuldig gemacht zu haben.
    »Vielleicht wollte er mit dem Bild«, sagte er, »seine Familie überraschen … Frau und Kinder.«
    Das Mädchen blickte auf.
    »Seine Familie«, erwiderte sie ernst, »besteht nur aus ihm und mir. Meine Mutter starb schon vor drei Jahren. Geschwister habe ich keine.«
    Was blieb Frédéric anderes übrig, als zu sagen: »Das tut mir leid.«
    »Wo wohnen Sie?« fragte sie, trübe Gedanken abschüttelnd.
    »Im ›Winzergold‹.«
    »Sind Sie mit allem zufrieden?«
    »Bis jetzt durchaus – von einer Kleinigkeit abgesehen.«
    »Und die wäre?«
    Frédéric grinste.
    »Ich bin Biertrinker, aber Ihr Vater hat Anweisung gegeben, daß mir nur Wein verabreicht werden darf.«
    »Das sieht ihm ähnlich«, lachte die Tochter Selzers. »Er ist ein Tyrann.«
    Sie strich sich eine Locke aus der Stirn, dabei gab es dem Maler einen Stich, weil er an ihrer Hand einen Verlobungsring entdeckte.
    »Ich werde dafür sorgen«, fuhr sie fort, »daß Vaters Anweisung aufgehoben wird.«
    Frédéric streckte abwehrend die Hände aus.
    »Nur das nicht! Es scheint ihm ungeheuer viel daran gelegen zu sein, der Zunft der Weinfreunde ein neues Mitglied zu gewinnen. Verurteilen wir seine Bemühungen nicht gleich zum Scheitern. Im übrigen verhält es sich nicht so, daß ich gar so entsetzlich darunter leiden würde … der Tropfen gestern abend …«
    Zungenschnalzend verstummte er. Er war also ein Mann, in dessen alte Trinkgewohnheit vielleicht schon eine erste Bresche geschlagen war.
    Dem Mädchen schien schon wieder eine Frage auf den Lippen zu schweben. Sie war wohl reichlich neugierig … nein, eigentlich war sie das nicht, nur für diesen jungen Mann rührte sich ein Interesse in ihrem Inneren, über das sie sich selbst wunderte.
    »Was ist Ihre Spezialität?« wollte sie wissen.
    »Worin?«
    »Im Malen.«
    Er sah darin einen ihm zugeworfenen Ball, den er sofort auffing. »Porträts«, sagte er.
    »Von Männern oder Frauen?«
    »Von Mädchen«, grenzte er das Gebiet ein.
    »Von Mädchen?«
    »Von Mädchen wie Ihnen.«
    Eine kurze Gesprächspause trat ein. Gespannt wartete er, wie's weiterging.
    »Ich würde Ihnen also«, sagte sie, »als Modell zusagen? Verstehe ich das richtig?«
    »Absolut richtig.«
    »Aber …«
    »Was aber?«
    »Wie hoch läge Ihr Honorar?«
    Um ein Haar hätte er geantwortet, bei Null, doch er sagte, um einen gewissen Schein zu wahren: »Es würde leicht erschwinglich für Sie sein.«
    »Täuschen Sie sich nicht«, meinte sie. »Mein Vater hält mich kurz«, log sie als ein Mädchen, der das Geschäftliche im Blut lag. »Sie ahnen nicht, wie kurz!«
    »Nun ja, ich kenne ihn.« Er grinste. »Bei mir dachte er an eine Vergütung von fünfhundert Mark für das Weinberg-Bild.«
    »Und woran dachten Sie?«
    »An zweitausend.«
    »O je! Dann mußten Sie aber gewaltige Abstriche machen.«
    »Ich nicht.«
    »Sie nicht? Soll das heißen, daß er zulegen mußte?«
    »Ja.«
    »Wieviel?«
    »Fünfzehnhundert.«
    Ihr blieb zwei Sekunden lang der Mund offenstehen.
    »Fünfzehnhundert?«
    »Ja.«
    »Zu den fünfhundert dazu?«
    »Ja.«
    »Das ergibt ja zweitausend …«
    »… die ich von Anfang an gefordert habe, gewiß, keine Mark weniger!«
    »Nein!« konnte sie nur hervorstoßen. Sie sah sich nicht imstande, das zu glauben.
    Frédéric badete sich in ihrer Bewunderung. Daß das in seinem Atelier alles doch ein bißchen anders ausgesehen hatte, schien ihn nicht zu bekümmern. Künstler seien leichtgläubige Naturen, heißt's; am meisten sich selbst gegenüber, vergißt man immer hinzuzufügen.
    Die Erkenntnis, die von Selzers Tochter aus dem, was sie erfahren hatte, gezogen wurde, lautete: »Mit Ihnen muß ich ganz, ganz vorsichtig sein. Das Porträt werde ich mir aus dem Kopf
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