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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frédéric Bruhère an sich heruntersehend, in welchem Zustand er die ganzen Verhandlungen geführt hatte: barfuß, mit nacktem Oberkörper, nur in einer Pyjamahose steckend.
    Aber was machte das schon, einem Künstler waren solche ›Freiheiten‹ erlaubt.
    Der erste wirkliche echte Auftrag war da …
    Kein Zahlungsmittel für verzehrten Hackbraten und Kartoffelsalat und weiß der Teufel was noch …
    Kein verdammtes Schild, das gemalt werden mußte …
    Fritz Brühe führte seinen Indianertanz, den er sich vorher hatte verkneifen müssen, jetzt auf.
    Zwei Tage später steckte der junge Kunstmaler schon mitten in der Arbeit, von der er erhoffte, daß sie ihn weiterbringen würde. Es gab ja an der Mosel nicht nur einen Winzer mit Geld. Vielleicht konnte da eine Kettenreaktion ausgelöst werden. Reiche Weinbauern – reiche Bauern überhaupt – sehen es nicht gern, sagte sich Frédéric Bruhère, wenn sich einer von ihnen plötzlich über sie erhebt, indem er sich ein Gemälde anfertigen läßt; das reizt zur Nachahmung, womöglich zum Übertrumpfen.
    Frédérics Hoffnung auf ein Weiterkommen sollte sich erfüllen – wenn auch in ganz anderer Weise, als von ihm erwartet.
    Es war leicht gewesen, sich in Wehlen zurechtzufinden. Baptist Selzer hatte gesagt, daß ihn jeder kenne, und das bewahrheitete sich auch, als Frédéric Bruhère aus dem Eisenbahnwaggon kletterte und vor dem Bahnhof am Zeitungskiosk die entsprechenden Auskünfte einholte.
    Selzer besaß nicht nur einen Weinberg, sondern deren zwei. Den größeren wollte er durch Künstlerhand verewigt sehen. Außerdem gehörte ihm ein stattliches Ausflugslokal mit Zimmern für Übernachtungen. ›Winzergold‹ hieß es, und das war ein sehr zutreffender Name insofern, als er unwillkürlich an ›Goldgrube‹ denken ließ.
    Etwas abgesetzt von diesem Lokal bewohnte Selzer eine schöne Villa, die er sich erst vor wenigen Jahren hatte erbauen lassen.
    Der junge Maler bezog ein Zimmer im ›Winzergold‹. Sein Eintrag ins Gästebuch las sich so: ›Frédéric Bruhère, Kunstmaler, Koblenz.‹
    Einmal wird die Zeit kommen, dachte er, in der bei solchen Gelegenheiten ›Bruhère‹ allein genügt. ›Frédéric‹, ›Kunstmaler‹, ›Koblenz‹, all das wird nicht mehr nötig sein. Wie bei ›Picasso‹ …
    Oder kann sich einer vorstellen, daß dieser, wenn er nach Wehlen gekommen wäre, ins Buch hätte schreiben müssen: ›Pablo Picasso, Kunstmaler und Zeichner, Paris?‹
    Solche Gedanken zeigen, daß Fritz Brühe nicht mit Minderwertigkeitskomplexen auf die Welt gekommen war.
    Am ersten Abend im ›Winzergold‹ leerte er zusammen mit dem Besitzer eine Flasche Wein – natürlich keine schlechte – und ließ sich den himmelweiten Unterschied zwischen Rebe und Hopfen erklären. Es lief etwa auf die nicht miteinander zu vereinbarenden Ernährungsweisen von Mensch und Tier hinaus.
    »Vergleichen Sie doch einmal einen Weinberg mit einem Hopfengarten«, meinte Baptist Selzer. »Das muß Ihnen doch schon alles sagen.«
    »Glauben Sie?«
    »Bestimmt. Ich will Ihnen mal was erzählen, ich hatte das Unglück, als Soldat nach Manching eingezogen zu werden. Wissen Sie, wo das ist?«
    »Nein.«
    »Bei Ingolstadt an der Donau.«
    »Das liegt in Bayern, nicht?«
    »Ganz richtig, an der Grenze zur Hallertau. Was die Hallertau ist, das wird Ihnen vielleicht bekannt sein.«
    »Ja, Deutschlands größtes Hopfenanbaugebiet, nicht?«
    »Stimmt.« Baptist Selzer machte eine unendlich verächtliche Handbewegung. »Ich hab's mir angesehen.« Er schüttelte Jahrzehnte danach noch ungläubig den Kopf. »Ich kann Ihnen sagen, das halten Sie nicht für möglich … nein, das tun Sie nicht, ich schwör's Ihnen!«
    »Ich glaube es Ihnen, Herr Selzer«, nickte der Maler, wohl wissend, daß ihm jede andere Antwort Schaden eingebracht hätte.
    »Sie können sich das nicht vorstellen, mein Lieber.«
    »Doch, ich glaube schon, Herr Selzer.«
    »Nee, nee, ich habe das vorher auch gedacht, aber dann …«
    Baptist Selzer verstummte. Die Erinnerung überwältigte ihn. Nur noch zu einer abermaligen verächtlichen, das Thema endgültig abschließenden Handbewegung brachte er es.
    Am anderen Morgen stand der Maler früh auf, um seine Arbeit möglichst bald in Angriff zu nehmen. Als erstes mußte der Fleck mit dem besten Blick auf das Objekt, das künstlerisch festzuhalten war, gesucht werden. Dieser Platz fand sich auf dem kleineren Weinberg. Frédéric baute seine Staffelei auf und stellte sein
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