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Wiedersehen mit Vamperl

Wiedersehen mit Vamperl

Titel: Wiedersehen mit Vamperl
Autoren: Renate Welsh
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Medikamenten
     für den Notfall,einem Notizbuch, drei Kugelschreibern, weil man nie wissen konnte, ob nicht einer im entscheidenden Moment versagte, und dazu
     noch ihren schweren Koffer.
    »Wasser, Gashahn, Fenster«, murmelte sie, prüfte zum dritten Mal, ob auch alles richtig abgedreht und abgeschlossen war, dann
     machten sie sich auf den Weg.
    Vor dem Haustor blieb sie stehen und fummelte in ihrer Tasche herum. Ihr Pass steckte im Seitenfach, die Geldbörse daneben.
    An jeder Straßenecke musste Hannes den Koffer kurz abstellen.
    Vor dem Reisebüro warteten schon einige Leute. Der Bus fuhr gerade vor. Der Fahrer begann gleich die Koffer einzuladen.
    Frau Lizzi bedankte sich bei Hannes. »Und jetzt lauf heim, da kriegst du noch ein Maul voll Schlaf, bevor du in die Schule
     musst.«
    Doch Hannes wollte lieber warten.
    »Du hast deine Oma wohl sehr gern«, sagte eine Dame zu ihm.
    »Sie ist nicht meine Oma, sie ist meine Freundin«, erklärte Hannes.
     
    Als sie längst unterwegs war und die erste Grenze schon hinter ihr lag, hörte Frau Lizzi diesen Satz immer noch. Wie ein warmer
     Ball war er, der in ihrem Bauch auf und ab hüpfte. Ich muss ihm was Schönes mitbringen, dachte sie, etwas wirklich Schönes.
     Immer hab ich gedacht, wie traurig es ist, dass ich keine Kinder und daher auch keine Enkelkinder habe. Aber seine Freundin,
     das ist doch auch was, oder? Viel ist das!
    Frau Lizzi streckte die Beine. Ihr Sitz ganz vorne im Bus war sehr bequem, auf Knopfdruck konnte sie die Lehne verstellen,
     es gab auch einen Schemel für die Füße. Der Nachteil war nur,dass sie die Mitreisenden nicht sehen konnte ohne sich umzudrehen und sie direkt anzustarren.

     
    Draußen zog Landschaft vorbei, Wiesen voller Löwenzahn, Felder, große alte Bäume, immer wieder tauchte ein Kirchturm auf,
     um den sich Häuser scharten. Frau Lizzi döste ein.
    Sie wachte mit einem Ruck auf, als der Bus stehen blieb. Im Traum hatte sie Vamperl gesehen, er hatte sogar mit ihr gesprochen,
     obwohl er in Wirklichkeit nur fiepen konnte, sie wusste bloßnicht mehr, was er gesagt hatte. Immerhin war es doch gewiss ein gutes Zeichen, dass sie von ihm geträumt hatte.
    Die Leute drängten sich aus dem Bus.
    »Na, Oma, wollen Sie nicht auch aussteigen?«, fragte ein junger Mann mit dünnem Bärtchen. »Für kleine Mädchen gehen?«
    Blöder Kerl, dachte sie. Wenn ich einen Enkel hätte, der wär anders. Ganz gewiss anders. Der da sieht aus, als hätte ihn eine
     Katze zurechtgeleckt.
    »Sie müssen sich schon entscheiden«, sagte sie. »Entweder Oma oder kleines Mädchen.«
    Der junge Mann lachte meckernd und lange.
    »So gut war der Witz auch wieder nicht«, brummte Frau Lizzi, schob sich an ihm vorbei und sagte über die Schulter zurück:
     »Im Übrigen bin ich die Frau Lizzi.«
    Das Lachen riss ab.
    An einem der langen Tische in der Raststätte fand Frau Lizzi einen freien Platz. Jetzt konnte sie sich die Gesellschaft in
     aller Ruhe ansehen. Der Reiseleiter stellte die Leute vor.
    Da war das Ehepaar Schmied, beide um die fünfzig. Frau Schmied hatte eine wilde rote Mähne, bestimmt gefärbt, und viele goldene
     Armreifen, die bei jeder Bewegung klirrten. Um den Hals trug sie sieben verschiedene Steine an schwarzen Lederbändern und
     einen bunten Seidenschal. Ihre dunklen Augen funkelten.
    So farbig sie war, so grau war ihr Mann – graue Haare, graue Augen, grauer Anzug. Aber als er Frau Lizzi die Hand reichte,
     stellte sie fest, dass er einen warmen Händedruck und ein ebenso warmes Lächeln hatte.
    Frau Pfeiffer war eine sehr große, sehr elegante, sehr magere Frau, bestimmt schon siebzig, ihre Tochter Leonora war semmelblond
     und rundlich mitkleinen, unwahrscheinlich regelmäßigen, glänzend weißen Zähnen.

    Herr Stanzer bezeichnete sich selbst als Privatgelehrten. Er trug eine große Hornbrille, graue Haarsträhnen, die ihm über
     den Hemdkragen hingen, und eine schwarze lange Jacke, die eigentlich schon ein Gehrock war. Sein Begleiter war ein junger,
     ernsthafter Mensch, der als Eusebius vorgestellt wurde. Wahrscheinlich hieß er gar nicht so, aber der Name passte zu ihm.
     Wenn ihn jemand ansprach, ruderten seine großen schönen Hände, als wollte er etwas aus der Luft fangen. Er schrieb jedes Wort
     von Herrn Stanzer mit. Der sprach so langsam, dass Frau Lizzi dachte, man könnte nicht nur mitschreiben, sondern sogar mitsticken,
     was er sagte.
    Dennis und Denise waren nicht nur durch ihre Vornamen zum Pärchen bestimmt,
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