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Wiedersehen mit Vamperl

Wiedersehen mit Vamperl

Titel: Wiedersehen mit Vamperl
Autoren: Renate Welsh
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Frau Lizzi fasst einen Entschluss
    Frau Lizzi erwischte sich immer öfter dabei, dass sie vor sich hin seufzte. Dann schimpfte sie: »Lizzi, du bist ein blödes
     altes Stück. Du weißt genau, wie ich Selbstmitleid hasse! Reiß dich zusammen, geh spazieren, tu irgendetwas, ganz gleich was,
     aber jammere nicht herum.«
    Es half nur nicht.
    Kein Vamperl auf der Vorhangstange, kein Vamperl, der an ihren Haaren zupfte, kein Vamperl, der aus dem Nähkorb fiepte. Wenn
     sie die Augen schloss, sah sie Vamperl aus seinem Korb winken, bis der Ballon im blauen Himmel verschwand.
    Ihre Knie schmerzten wie vor der Kur. Sie stöhnte, wenn sie sich vorbeugte um die Strümpfe anzuziehen. Nicht einmal der Kaffee
     schmeckte ihr.
    Jeden Vormittag gegen zehn Uhr wurde sie unruhig. Ihre Ohren machten sich selbstständig, lagen auf der Lauer im Treppenhaus.
    Sie kannten den Schritt des Briefträgers, das Klirren seines Schlüsselbundes, wenn er die Postkästen aufsperrte. Sie kannten
     den dumpfen Knall, mit dem das Haustor hinter ihm zufiel. Dann ging Frau Lizzi hinunter, obwohl sie genau wusste, dass wieder
     nichts von Vamperl gekommen war. Sonstwäre der Briefträger bestimmt heraufgekommen, schon deshalb, weil Vamperl natürlich wieder die Briefmarke vergessen hatte.

    Frau Lizzi nahm die zwei oder drei Werbesendungen aus ihrem Postkasten, pfefferte sie in die Altpapiertonne und knallte den
     Deckel zu.
    Das Stiegensteigen fiel ihr schwer.
     
    Hannes war jetzt Mittelstürmer in der Jugendmannschaft. Er kam zwar fast jeden Tag vorbei, aber meist blieb er gerade einmal
     fünf Minuten.
    »Früher hast du es doch auch allein ausgehalten«, sagte Frau Lizzi zu sich selbst.
    Aber früher war früher und jetzt war jetzt.
    Manchmal war Frau Lizzi richtig sauer. »Mistkerl«, schimpfte sie zur leeren Gardinenstange hinauf. »Wenigstens schreiben könntest
     du. Ich will ja nur wissen, ob es dir gut geht.«
    Am ersten Donnerstag im Mai kam Hannes hereingestürzt und drückte Frau Lizzi ein knallbuntes Heft in die Hand. »Seite 13!«,
     keuchte er. »Das wär doch was für Sie. Ich muss zum Training.«
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
    »Was soll ich mit einem Reiseprospekt?«, brummte Frau Lizzi. »Mich zieht’s nicht nach Spanien und nicht auf die Malediven,
     in Afrika ist es mir zu heiß und in Feuerland zu kalt.«
    Aber weil sie das Ding nun schon einmal in der Hand hatte, blätterte sie lustlos darin. Auf Seite 13 stutzte sie.
    »Dracula-Tour«, stand da.
    »Erleben Sie Transsilvanien,
    besuchen Sie Draculas Schloss,
    tanzen Sie in der Nacht der Vampire!«
    Frau Lizzi pflanzte ihre Beine fest auf den Boden, gab sich einen Ruck und stand auf. Sie zog die bequemenSchuhe an, setzte ihren Strohhut auf, holte das Sparbuch aus der Schublade und machte sich auf den Weg.

     
    Der junge Mann im Reisebüro bat sie Platz zu nehmen. Vorsichtig ließ sie sich auf einen der schwarzen Stühle mit den metallenen
     Spinnenbeinen nieder und wunderte sich, dass sie nicht umkippte, sondern fast bequem saß.
    »Ich möchte die Dracula-Tour buchen«, erklärte sie.
    Der junge Mann wiegte den Kopf hin und her. Er verwies auf die Strapazen dieser Reise. »Wir hätten da ein hervorragendes Sonderangebot
     für Seniorenauf Mallorca, das würde ich Ihnen ganz besonders empfehlen.«
    Frau Lizzi wischte den Prospekt vom Tisch, direkt in den Schoß des jungen Mannes.
    »Oh, verzeihen Sie«, entschuldigte sie sich. »Aber ich fahre nach Transsilvanien, in die Heimat der Vampire.«
    »Selbstverständlich, wie Sie wünschen. Ich darf Sie nur darauf hinweisen, dass Sie das Risiko tragen, und würde Ihnen unsere
     spezielle Reiseversicherung mit Rückholgarantie empfehlen.«
    Er hüstelte.
    »Tot oder lebendig?«, fragte Frau Lizzi freundlich.
    Er senkte die Augen, setzte eine kummervolle Miene auf und sagte: »Ja. Im Falle eines Falles.«
    Frau Lizzi unterschrieb sämtliche Papiere, ließ sich schriftlich bestätigen, dass sie Anspruch auf den Sitzplatz in der ersten
     Reihe des Autobusses hatte und verließ hoch erhobenen Hauptesdas Reisebüro. Der junge Schnösel hielt sie wohl für zu alt für so eine Reise.
     
    Hannes war begeistert, als sie ihm wortlos den Durchschlag ihrer Buchung reichte. »Am liebsten würde ich mitfahren«, sagte
     er. »Sie schicken mir aber bestimmt eine Ansichtskarte?«
    Frau Lizzi versprach es. Sie bat Hannes ihr den Koffer vom Schrank zu heben.
    »Sie fahren doch erst in drei Wochen«, meinte er. »Wird Ihnen der Koffer nicht
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